Du bist Deutschland


Reiner Calmund
, (*23.11.1948 Brühl), Außenhandelskaufmann, ehemaliger Fußballmanager, WM-Botschafter

Der Dicke. Der XXL-Manager. Der Big Boss: Wer über Reiner Calmund sprechen will, darf von seiner Figur nicht schweigen. Es wäre natürlich ein Fehler, vom äußeren Eindruck auf die inneren Werte zu schließen, vom Körper auf den Menschen Calmund: Man landet dann sehr schnell beim Klischee, bei der Karikatur des lebensfrohen Rheinländers, der aussieht, wie er aussieht, weil er so lebt, wie er lebt, ein Mann, dessen Schwäche seine Stärke ist und dessen großer Bauch Ausdruck eines großen Herzens. Womöglich aber wäre es der größere Fehler, das Gegenteil zu glauben: dass hinter der kolossalen Fassade ein anderer steckt, der knallharte Geschäftsmann, der Abzocker, der Trickser, ein sehr ungemütlicher Mensch also, den man eher fürchten muss als belächeln.

Calmunds Körper ist eine Falle, denn wer hineinbohrt in diese Hülle, um hinter das Geheimnis zu kommen, das sie zu verbergen vorgibt, kommt so schnell nicht mehr heraus. Der Geheimnisvolle: Das ist die Rolle, die Calmund meisterhaft beherrscht. Er hat gelernt, seine Figur zu tragen wie ein Kostüm, wie einen Panzer, der alles abblockt, was ihm zu nahe kommt, er dreht und wendet seine Maske, je nachdem, was man gerade von ihm halten soll. Er spielte den Mann mit harter Schale, damit man ihm den weichen Kern unterstellt, er spielte den sympathischen Witzbold, damit man ihn ernst nimmt. Jetzt spielt er den Sprücheklopfer, das Großmaul, damit niemand seine prekären Aussagen beim Nennwert nimmt. Er sitzt die Sache aus wie einst ein anderer Dicker, an dem man dieselbe Haltung erkennen konnte, jene unzeitgemäße, paternalistische Machtgeste bundesrepublikanischer Provinzfürsten. Wie ein Schild schiebt er seine breiten Schultern vor den Dreck und die Lügen, vor all die Machenschaften, die im deutschen Fußball notwendig sind, aber besser unsichtbar bleiben. Transparenz mag das Credo der Stunde sein – Reiner Calmund bleibt die Undurchschaubarkeit in Person.

Foto: AP