Hendrik Haase ist Kommunikationsdesigner sowie Berater und beschäftigt sich mit Lebensmitteln und digitaler Esskultur in Zeiten technologischer und ökologischer Transformation. Für sein Buch »Crafted Meat« und eine ZDF-Reportage hat er intensiv über Form- und Separatorenfleisch recherchiert:
»Grundsätzlich handelt es sich bei Formfleisch um ein Stück Fleisch, das aus Teilstücken zusammengesetzt ist. Die verschiedenen Varianten unterscheiden sich in der Art, wie sie zusammengefügt wurden. Das Angebot reicht vom handelsüblichen Kochschinken, der sonst auseinanderfallen würde, über Hähnchen-Nuggets oder Fischstäbchen, bis hin zum Filet- oder Schnitzel-ähnlichen Stück, bei dem Verbraucherinnen und Verbraucher womöglich nicht auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um zusammengefügte Fleischteile handelt.
Und dann gibt es noch das Separatorenfleisch: Die nach der Zerlegung von Tieren anfallenden Knochen und Reste werden in großen Maschinen zerkleinert. Mit Druck und speziellen mechanischen Verfahren werden die letzten Fleischreste von den Knochen gezogen. Das Endprodukt ist ein Brei aus Muskelfleisch und Fett. Das finden viele eklig. Aber sie müssen sich vorstellen, dass auch in jeder Brühwurst ein fein gemahlener Brei aus Fleisch und Gewürzen – das Brät – zum Einsatz kommt. Jede Gelbwurst, jedes Wiener Würstchen und jeder Leberkäse wird so hergestellt. Separatorenfleisch ist noch feiner und die Produktion und Kennzeichnung sind in der EU genauestens reglementiert. Hierzulande hat es einen sehr schlechten Ruf. Ich kenne keinen deutschen Fleischproduzenten, der hier Brühwurst mit Separatorenfleisch offiziell vermarktet. Derartige Produkte sind häufiger in Geschäften mit arabisch geprägtem Sortiment aus importierter Herstellung anzutreffen. Grundsätzlich muss man sich vor Formfleisch, Pressfleisch oder Separatorenfleisch nicht ekeln. Ein Tier besteht eben nicht nur aus Filetstücken. Und ja, es ist nachhaltig, alles vom Tier zu verarbeiten.
Abgesehen vom Separatorenfleisch gibt es in der Industrie noch sogenannte Kleber, die bei Formfleisch häufig zum Einsatz kommen, damit sich die Fleischteile zu einem Stück verbinden. Ein wichtiger Zusatzstoff ist dabei das Enzym Transglutaminase. Es entsteht mithilfe von Bakterienkulturen in Bioreaktoren – also in Behältern, die als Nährmedium für die Kultivierung des Enzyms dienen. Einige dieser Hilfsmittel werden auch aus Schlachtabfällen gewonnen, zum Beispiel aus Blutplasma, meist vom Rind. Beide Zusätze sorgen für eine festere Struktur, eine bestimmte Konsistenz, Textur und Saftigkeit. Ob sie zum Beispiel einem Schnitzel- oder Filet-ähnlichen Fleischstück hinzugefügt wurden, kann man nicht immer genau nachvollziehen. Und da wird es für mich auf anderer Ebene bedenklich: Ist so etwas nicht für Käuferinnen und Käufer klar ersichtlich, dann handelt es sich aus meiner Sicht schlicht und einfach um Verbrauchertäuschung.«