Prof. Dr. Thomas Vilgis ist Lebensmittelphysiker und leitet die Arbeitsgruppe Soft Matter Food Science am Max-Planck-Institut für Polymerforschung:
»Hinter dem Überkochen von Milch und Nudelwasser steckt der gleiche physikalische Vorgang. Schuld sind die unterschiedlichen Proteine, die sich darin befinden. Milch kocht aufgrund der Molkenproteine über, die zwischen 66 und 82 Grad denaturieren, also ihre Struktur verändern. Bildlich kann man sich das so vorstellen: In der kalten Milch verhalten sich die Molkenproteine wie ein Wollknäuel. Bei Hitzeeinwirkung wickelt sich das Knäuel auf und die Moleküle bilden lange Fäden, die sich wiederum miteinander verheddern. Diese werden mit den Luftbläschen in der Milch an die Oberfläche getrieben. Dabei kommen immer mehr nach und irgendwann sind die Fäden so dicht, dass der Wasserdampf nicht mehr nach außen abwandern kann. So entsteht Druck und die Milch sprudelt über. Den Deckel sollte man in jedem Fall weglassen, da der Druck sonst noch erhöht wird.
Beim Kochen von Nudeln sieht das ganz ähnlich aus: Weizennudeln geben während dem Kochen Proteine und Stärke an das Wasser ab. Bei einem dieser Proteine handelt es sich um Glutenin, ein Molekül, das ebenfalls imstande ist, lange Fäden zu bilden. Um das Überkochen zu vermeiden, hilft eigentlich nur eines: Umrühren, aufpassen und den entstehenden Schaum gegebenenfalls abschöpfen. Der bekannte Trick, Öl in das Nudelwasser zu geben, hilft kaum. Dabei werden einige der Moleküle gebunden, allerdings zu wenige, um das Wasser vor dem Überkochen zu bewahren. Viele Menschen kochen mit Deckel, um Energie zu sparen. Bei Nudeln geht das ohne Deckel am besten, wenn man sie auf italienische Art zubereitet: Mit wenig Wasser zwei bis drei Minuten kürzer kochen und dann direkt mit etwas Nudelwasser in die Sauce geben. Das Wasser verkocht und wird von den Nudeln weiter aufgenommen. Die Proteine und die Stärke helfen zudem dabei, die Sauce zu binden.«