Wie kommt die Säure in den Wein?

Bei Weißwein beklagen viele, dass sie ihn nicht gut vertragen. Warum ist das so? Welche Rebsorten sind besonders sauer? Und was ist mit Rotwein? Ein Experte erklärt es.

Illustration: Ryan Gillet

Ernst Büscher ist Sprecher des Deutschen Weininstituts:

»Die Säure im Wein kommt natürlich von den Trauben, beim Keltern geht sie in den Wein über. Die wichtigsten Säuren im Wein mit einem Anteil von mehr als fünfzig Prozent sind die Weinsäure und die Äpfelsäure. Äpfelsäure kommt übrigens auch in anderen Obstsorten vor, in Äpfeln wurde sie nur zum ersten Mal entdeckt. Anfangs, wenn Obst noch nicht reif ist, schmeckt es sauer. Diese Säure wird im Obst verstoffwechselt und langsam abgebaut, bis es für uns genießbar ist. Wenn sich der Säure- und der Zuckergehalt in etwa die Waage halten, ist das bei der Traube der Reifebeginn. Danach sinkt der Säuregehalt allmählich ab, die Traube wird immer süßer. Die Winzer richten in sehr heißen Jahren den Lesezeitpunkt auch nach dem Säuregehalt aus, damit er nicht zu stark absinkt. Den Säuregehalt bestimmt der Winzer mittels einer chemischen Analyse im Weingut. Ansonsten bestimmt der Zuckergehalt in den Beeren, wann gelesen wird. Zum Lesezeitpunkt überwiegt die Süße die Säure in den Trauben deutlich. Die Säuregehalte bewegen sich dann überwiegend zwischen sechs und zehn Gramm pro Liter, die Zuckergehalte hingegen, je nach Traubenreife, zwischen 130 und 230 Gramm pro Liter. Einige Traubensorten wie bei Weißwein der Riesling oder die Scheurebe und bei Rotwein der Spätburgunder haben von Natur aus etwas mehr Säure. Andere Rebsorten wie zum Beispiel Müller-Thurgau oder der Weißburgunder bringen etwas weniger Säure mit sich.

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Im Rotwein möchte man weniger Säure haben, denn die Gerbstoffe aus den dunklen Schalen vertragen sich mit ihr geschmacklich nicht so gut. Darum nutzt man hier den biologischen Säureabbau, bei dem die Äpfelsäure in die geschmacklich etwas mildere Milchsäure umgewandelt wird. Dies geschieht während oder nach der Gärung durch natürliche Milchsäurebakterien bei fast allen Rotweinen und zum Teil auch bei weißen Burgundersorten. Oftmals setzt der biologische Säureabbau mit den im Most natürlicherweise vorhandenen Milchsäurebakterien ein. Wenn dies nicht geschieht, aber gewollt ist, kann der Winzer auch Bakterienkulturen zusetzen. Der Wein hat dann am Ende weniger Säure und ist geschmacklich harmonischer, Weißweine bekommen dadurch eine buttrige Note. Bei den meisten Weißweinen gibt man nach der Gärung Schwefel hinzu, um sie mikrobiologisch zu stabilisieren und dadurch sind die Milchsäurebakterien nicht mehr aktiv. Man möchte zum Beispiel beim Riesling die sortentypische Fruchtsäure erhalten und verhindert durch die Schwefelzugabe den Säureabbau durch die Bakterien.

In sehr geringem Maße entstehen beim Gären auch Bernsteinsäure und Zitronensäure. Diese Säuren sind nicht natürlich in Trauben enthalten, sondern entstehen erst im Prozess. Das passiert, wenn die Hefe den Zucker in Alkohol umwandelt. Man bezeichnet sie als Gärungsnebenprodukte, die gesundheitlich unbedenklich sind und einfach im Wein bleiben. Weinsäure kann übrigens auch kristallin werden – ausfallen nennt man das: Das Ergebnis ist Weinstein, sozusagen das Salz der Weinsäure. Man kann ihn weiterverarbeiten zu Weinstein-Backpulver, dabei ersetzt der Weinstein als Säuerungsmittel Phosphate, die in normalem Backpulver enthalten sind. Das Ergebnis ist eine Art natürliches Backpulver.«