»Kürzlich wollte ich ein gebrauchtes Tablet online auf eBay kaufen. Ich habe nach Privatverkäufen gesucht, weil mir das vertrauensvoller erschien, und auch ein passendes Angebot gefunden, dann aber in der Bewertungsliste des angeblichen Privatverkäufers gesehen, dass dieser in den letzten Monaten bereits mehrere solcher Geräte verkauft hat. Eigentlich ist das dann aber schon im Bereich eines gewerblichen Verkaufs oder zumindest im Graubereich. Man möchte ungern jemanden anschwärzen, aber ist man moralisch verpflichtet, dieses unrechtmäßige Gewerbetreiben zu melden? Es geht ja dann um Steuerfragen, Garantie und Rückgaberechte. Oder sollte eBay, in Zeiten von KI, längst selbst solche offensichtlich grenzwertigen Verkäufer aufspüren?« Benedikt H., Landshut
Moralisch verpflichtet sind Sie dazu wohl nicht. Lässt man die Moral aber einmal beiseite, spricht einiges dafür, dass Sie diesen Verkäufer bei eBay melden sollten. Denn dieser Online-Marktplatz lebt vom Wettbewerb, auch unter den Verkäufern. Und ein Verkäufer, der sich als privat nur ausgibt, hat denen gegenüber, die gewerblich verkaufen, einen unfairen Vorteil. Er umgeht rechtliche Auflagen, die auch mit Kosten verbunden sind, und kann daher seine Ware günstiger anbieten. Und Käufer haben bei einem eventuell teureren Kauf von einem gewerblichen Verkäufer dafür mehr Rechte. Es ist also im Sinne der Gemeinschaft, der ganzen Idee dieses gemeinschaftlichen Handeltreibens, wenn sich alle an dieselben Regeln halten. So wie Sie den Fall schildern, spricht tatsächlich einiges dafür, dass eBay diesen Verkäufer als gewerblich einstufen würde. Wenn Sie ihn melden, würde sich eBay im Idealfall dieser Sache annehmen und den Fall prüfen. Die bloße Meldung führt also noch nicht zu einer Ahndung, sondern leitet nur eine Prüfung ein. Wie gesagt, im Idealfall. Im Internet finden sich allerdings Foren, in denen sich frustrierte eBay-Nutzer darüber austauschen, dass eBay nach solchen Meldungen nichts oder zu wenig unternehme. eBay versucht natürlich auch selbst, scheinprivate Verkäufer aufzuspüren, unter anderem kommen hier automatisierte Systeme zum Einsatz, doch offenbar sind diese noch nicht perfekt.
Wenn Ihnen der ganze Vorgang – melden oder nicht – aber Kopfzerbrechen bereitet, kramen wir dennoch die Moral wieder hervor und finden in Epiktets Handbüchlein der Moral folgenden Rat. »Es ist besser, dass dein Sklave ein Taugenichts ist, als dass du selbst unglücklich bist«, steht darin. »Wird dir ein bisschen Öl verschüttet, ein bisschen Wein gestohlen, so sage dir: ›Das ist der Preis für Gleichmut, das ist der Preis für innere Ruhe.‹«
