»Ein Freund von uns hing vor einiger Zeit psychisch sehr durch. Wir haben ihm geraten, Bilder zu malen. Das hat ihm tatsächlich geholfen. Jetzt hat er uns zum Dank eines dieser Bilder geschenkt. Zwei mal zwei Meter, unsagbar hässlich. Müssen wir es jetzt aufhängen?« Lena S., Freiburg
In Arztpraxen frage ich mich oft, was es mit der Kunst an den Wänden auf sich hat. Lustigerweise scheint dabei, private Recherche, die Regel zu gelten: Je hässlicher die Kunst, desto besser der Arzt. Sind die Werke sehr geschmackvoll, ich denke da vor allem an eine ganz bestimmte Allgemeinarztpraxis in einer großen deutschen Stadt, in der alte Werbeschilder den Wartebereich und die Behandlungsräume schmücken, sollte man Vorsicht walten lassen, was allzu großes Vertrauen in das Können des betreffenden Mediziners angeht. Vor einem unglaublich schönen Email-Schild einer tennisspielenden Vierzigerjahre-Schönheit mit perfekt ondulierten blonden Wellen, die gerade anmutig aus einer Flasche Coca-Cola trinkt, teilte mir einmal ein weiß gekleideter Mensch nach Messen meines Pulses mit, ich hätte leider einen Großteil meiner Lebensenergie bereits verbraucht. Tja. Was tun mit dieser Information? Mindestens dreißig dieser Schilder hatte er in seiner Praxis, die Dinger müssen ein Vermögen gekostet haben.
Gute Ärzte haben in der Regel eher deprimierende Kunst an der Wand. Ich meine, und nun komme ich zu Ihrer Frage, da-rin das Schaffen ihrer Patienten zu erkennen. Dunkelgrüne Werke mit schwarzen und anthrazitfarbenen Sprenkeln, Sinnbilder einer am weit entfernten Horizont für den Bruchteil einer Sekunde aufgeschimmert gewesenen Hoffnung, die sie als Dank für die Behandlung vorbeibrachten und die sofort aufgehängt wurden, aus Angst, sie würden sich sonst doch noch was antun. Und so starren nun Generationen neuer Patienten in Wartezimmern sitzend auf diese Gebilde und werden darüber selbst ganz bucklig und gram. Diese Ärzte haben Mitgefühl bewiesen, und exakt diese Fähigkeit macht sie vermutlich zu den Meistern ihres Fachs, die sie sind. Aber zwei mal zwei Meter, sagen Sie? Die Antwort ist: Nein.