Weitgefühl

Knipst die Sonne an: Leuchtroter Bikini von Emporio Armani. 
Ich bin froh, lebe ich nicht in Ürümqi. Denn Ürümqi ist die Stadt, die von allen Städten der Welt am weitesten vom Meer entfernt liegt: Vom »Eurasischen Pol der Unzugänglichkeit« in der nahen Wüste Gurbantünggüt reist man - in welche Himmelsrichtung auch immer - mindestens 2370 Kilo-meter, um das Meer zu erblicken. Das wäre mir zu weit. Wenn ich aus dem Haus gehe und in mein Auto steige, dann dauert es vier Stunden und 34 Minuten, dann erblicke ich das Mittelmeer. Kürzlich tat ich genau dies, denn dann und wann hat man das Verlangen, das Meer mit eigenen Augen zu sehen. Am Ende des Festlandes angekommen, fuhr ich noch etwas die Küste entlang, in San Remo saß ich bald am Pool, den Giò Ponti 1948 vor das »Hotel Royal« gebaut hatte. Auf eine Postkarte schrieb ich meinem Patenkind: »Lieber Constantin, ich musste ans Meer fahren, um nachzusehen, ob es noch da ist. Es ist noch da. Zum Glück. Ich bin erleichtert.« Dann blickte ich auf das Meer hinaus, es war grün wie das Grün der Nadeln der Krüppelkiefer.

Foto: Andreas Lux