Den Anfang machte Anselm Kiefer. Das war 1990. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung hatte noch nicht mal seinen ersten Geburtstag gefeiert, da erschien ein Heft, das es in dieser Form in Deutschland bisher noch nicht gegeben hatte: Ein Künstler durfte die gesamte Ausgabe gestalten. Und weil diese Nummer in der 46. Kalenderwoche erschienen war, benannte man das ambitionierte Projekt fortan nach diesem Datum: Edition 46.
In den Jahren danach gestalteten Francesco Clemente, Jeff Koons, Jenny Holzer, Per Kirkeby, Sigmar Polke, Richard Prince, Christian Boltanski und Matthew Barney die Edition 46. 1999 produzierte der amerikanische Künstler Alex Katz die letzte Folge. Nach zehn Jahren sollte Schluss sein mit der Edition, denn der Kunstmarkt war inzwischen so komplex und hysterisch geworden, dass es einer kleinen Redaktion wie der des SZ-Magazins zunehmend schwerfiel, Vorhaben dieses Ausmaßes zu stemmen. Zwar ist der Kunstmarkt heute nicht minder komplex und hysterisch, doch die Redaktion des SZ-Magazins ist gewachsen und unser Ehrgeiz, die legendäre Edition 46 wieder zu beleben, blieb auch während der acht Jahre Pause ungebrochen. Mit dieser Ausgabe wird deshalb die Edition 46 wieder jedes Jahr im Herbst erscheinen. Den Anfang macht der in Mailand lebende Francesco Vezzoli. Der 36-Jährige zählt zu den gefragtesten Künstlern seiner Generation, bekannt wurde er mit seinen Stickereien von Fernseh- und Hollywoodstars wie Marlene Dietrich oder Anna Magnani. Große Aufmerksamkeit erregte er mit seinen beiden Videoarbeiten Caligula (2005) und Democrazy (2007), die beide im italienischen Pavillon der Biennale von Venedig gezeigt wurden.
Eine Nacht in New York lautete der Titel der letzten Edition 46 von Alex Katz. Eine Nacht in New York heißt deshalb auch das Motto dieses Heftes. In den Bildern von Katz ging es um das Private in der großen Stadt und die Einsamkeit in den Metropolen. Francesco Vezzoli hingegen wollte sich dem Gegenteil widmen: dem Hype, der unerträglichen Gier nach Ruhm, Prominenz und Indiskretion. Er wählte dafür das Mittel der Performance.
Ort der Handlung war das Guggenheim Museum. Am 27. Oktober um kurz nach zehn Uhr abends drängten sich vor den Eingangstüren etwa fünfhundert Gäste, um Zeuge und Teil der Performance zu sein. Vezzoli ließ zehn Schauspieler, darunter Cate Blanchett, Natalie Portman und Anita Ekberg, die moderne Adaption eines Stückes des italienischen Dramatikers Luigi Pirandello aus dem Jahre 1917 spielen: So ist es (wenn es Ihnen so scheint). Vezzoli formte daraus eine Parabel über das Scheitern öffentlicher Personen, eine Talkshow über das Mediensystem. »Ich bin, wer ihr denkt, dass ich bin, aber ich selbst bin nichts«, sagt die Hauptfigur Signora Ponza alias Cate Blanchett am Ende ihres Auftritts.
Ab heute zeigt die Münchner Pinakothek der Moderne bis zum 17. Februar 2008 eine begleitende Ausstellung (Primadonnas) mit Werken und Video-Installationen von Francesco Vezzoli. Die englische Version des überarbeiteten Theaterstücks von Luigi Pirandello finden Sie auf unserer Online-Seite unter www.sz-magazin.de.
Francesco Vezzoli hat diese Edition 46 als Fortsetzung und Element seiner New Yorker Performance konzipiert. Dazu zählen die Bilder ebenso wie das Interview mit ihm und der Text über ihn, geschrieben von dem französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy. Klicken Sie sich mit uns durch eine Nacht in New York.
Eine Nacht in New York - die Performance von Francesco Vezzoli:
"Ich will anderen ihre Persönlichkeit stehlen" - Francesco Vezzoli über seine Arbeit
Vezzolis Geheimnis -
der Philosoph Bernard-Henri Lévy über Vezzolis Theorien
So ist es (wenn es Ihnen so scheint) - Bilder der Performance
Großes Kino - Alle Darsteller auf einen Blick.
Luigi Pirandello - Der Autor des Stücks "So ist es (wenn es Ihnen so scheint)"
Die englische Original-Version des überarbeiteten Theaterstücks von Luigi Pirandello