Seit Jahrhunderten forscht die Menschheit nach dem Geheimrezept für glückliche Beziehungen, nun endlich ist es raus: Alkohol. Laut einer Studie der »Amerikanischen Gesellschaft für Gerontologie« mit knapp 5000 verheirateten Teilnehmern über 50, ist gemeinsamer moderater Alkoholkonsum eine wichtige Säule glücklicher Ehen. Paare, die gemeinsam trinken, zeigten sich weniger anfällig für Ehekrisen als Paare, die gänzlich auf Alkohol verzichten oder bei denen nur ein Ehepartner trinkt.
Doch warum ist das so?
Da ist zum einen die entspannende Wirkung von Alkohol. Mit zwei, drei Gläsern Bordeaux im Kopf befällt langjährige Ehepartner eine große Gleichmut und Duldsamkeit, was die Gesprächsbeiträge des Partners betrifft. Sie erzählt schon wieder die Geschichte von der Reifenpanne auf ihrer Fahrradtour entlang der Mosel, die wirklich jeder schon dreimal gehört hat? Egal. Er stammelt wieder was »von der Dings, na, wie heißt sie noch, die Dings, die wir neulich in diesem Restaurant getroffen haben, Du weißt schon, dieser Laden an der Ecke, na wie heißt die Straße noch gleich...«? Was soll's, lass ihn doch reden! Selbst bei Paaren, die sich im Restaurant anschweigen oder einfach nur gemeinsam auf dem Sofa sitzen und fernsehen, bekommt der Akt des Schweigens etwas deutlich weniger aggressives und bedrückendes, wenn beide dabei ein Weinglas schwenken.
Dann wäre da die verbindende Komponente des Alkohols: Gerade in späteren Lebensphasen, wenn Menschen dazu neigen, sich neue Hobbys zu suchen und ihrer Umgebung damit auf die Nerven zu gehen, ist eine Obsession für Craft-Beer, Whisky, lokale Gin-Manufakturen oder Große Gewächse etwas, wovon auch der Partner oder die Partnerin wirklich etwas hat. (Im Gegensatz etwa zu einer plötzlichen Leidenschaft für Triathlon, Freejazz oder DIY-Wohnungsdekoration.) Während der eine zu langen Monologen über den Aufstieg japanischer Whisky-Destillen ansetzt, kann sich der andere schon mal gemütlich einen reinstellen - win-win für alle Beteiligten.
Alkohol ist zudem ein probates Mittel, um die Krisenfestigkeit einer Partnerschaft zu stärken. In jüngeren Jahren zeigt sich der Übergang von Verliebtheit zu echter, reifer Liebe oftmals in dem Moment, in dem Paare einander erstmalig beim Brechen die Haare aus dem Gesicht halten und dabei weder die Achtung noch das sexuelle Interesse aneinander verlieren. Später, in der Frühphase der Familiengründung, ist es der Kater, den man gemeinsam nach einem Übermaß an Alkohol und einem Minimum an Schlaf im Nieselregen auf einem Spielplatz kurz nach Sonnenaufgang überstehen muss. Das schweißt zusammen. Und auch in höherem Alter kann es verbindend sein, dem Partner oder Partnerin bei einer gemeinsam einverleibten Kopfschmerztablette zu versichern, sie oder er habe sich wirklich ganz und gar nicht daneben benommen, weil man ehrlicherweise selber zu strack war, um sich zu erinnern. Die Müllers allerdings, also bei denen ist der Lack wirklich ab. Die haben sich ja wirklich gar nicht im Griff. Furchtbare Leute, ohne jeden Geschmack, da sollten wir nie wieder hingehen, Schatz!
Und zu guter Letzt ist Alkohol auch nach vielen Ehejahren ein perfekter Grund für oder gegen Sex: Wenn beide leicht einen sitzen haben, ist wenig Raum für Sorgen um die kaputte Waschmaschine oder Ärger über die undankbaren Kinder, da kann man im schummrigen Licht der Leselampe und mit dem wunderbar wattigen Scheißegal-Gefühl auch einfach mal für ein paar Minuten genital zueinander finden. Und wenn nicht, dann kann man auch das dem Alkohol anlasten: Sorry, Liebling, ich bin total heiß auf Dich, aber alles dreht sich, ich kann nicht. Es liegt nicht an Dir, es liegt am Merlot.
Illustration: Eugenia Loli