Name: Gina Bolle
Geboren: 27.11.1990 in Dachau
Wohnort: München
Ausbildung: Fotodesign an der Hochschule München Website: www.ginabolle.com
SZ–Magazin: Für Ihre Fotoreportage haben Sie einen Mann nach Istanbul begleitet, der sich dort einer Haartransplantation unterzogen hat. Wie ist es dazu gekommen?
Gina Bolle: Der Mann ist einer meiner ältesten Freunde. Er ist 31 Jahre und leidet seit etwa zehn Jahren an Haarausfall. Damals hat er gemerkt, dass ihm die Haare an seinen Geheimratsecken ausfallen. Er hatte immer die Halbglatze seines Vater vor Augen und Angst, dass es bei ihm genauso ergehen würde. Schon bald darauf hat er angefangen, alle möglichen Mittel und Cremes zu benutzen, um dem Haarausfall entgegen zu wirken.
Haben die Mittel geholfen?
Nein, nicht wirklich. Er hat zum Beispiel drei bis vier Jahre lang ein rezeptpflichtiges Haarwuchsmittel genommen, das starke Nebenwirkungen hatte. Die Haare sind ihm trotzdem weiter ausgefallen.
Also hat er sich zu einer Haartransplantation in Istanbul entschlossen.
Der Medizintourismus in die Türkei boomt. In Istanbul soll es allein 300 Kliniken geben, die sich auf Haartransplantationen spezialisiert haben. Alles wird im Paket verkauft – Flughafentransfer, Hotel, Operation und Nachbesprechung. Sogar die Pflegeprodukte gehören dazu.
Klingt fast nach einer Pauschalreise.
Den Flug müssen die Patienten selbst buchen, aber vor Ort ist tatsächlich alles organisiert. Wir sind am Flughafen angekommen und wurden mit einem Shuttle in das Hotel gebracht, das gleich neben der Klinik liegt. Danach wurden wir zu einem Vorgespräch mit dem Arzt abgeholt. Er hat Blut abgenommen, mit einem Edding schon die Haarlinien, wo transplantiert werden soll, hingemalt. Eine Dolmetscherin hat alles übersetzt. Nach dem Gespräch wurden wir wieder ins Hotel gebracht. Und am nächsten Morgen zur Operation abgeholt. Alles war durchgetaktet.
Warum fahren die Leute für solche Operationen ausgerechnet nach Istanbul?
In Deutschland kostet die Operation 8.000 bis 10.000 Euro. Das Gesamtpaket in der Türkei hat 2.500 Euro gekostet. Viele türkische Kliniken haben sich auf Haartransplantationen spezialisiert. 2013 sind rund 360.000 Menschen aus aller Welt dafür in die Türkei gereist - etwa 58.000 von ihnen aus Deutschland. In der Klinik haben wir auch Patienten aus Belgien und Frankreich kennengelernt.
Wie verläuft die Operation?
Bevor die Haarwurzeln an der Spenderstelle am Hinterkopf entnommen werden, wird der Patient örtlich betäubt. Dann wird eine Kochsalzlösung gespritzt - das soll die Haut ein wenig von der Schädeldecke lösen. Der Kopf sieht dann angeschwollen aus. Die Haarwurzeln werden mit einer Art Kugelschreiber direkt eingestanzt. Das nennt man DHI-Methode. Wie in Akkordarbeit haben drei Krankenpflegerinnen erst die Grafts, also die Haarwurzeln, vom Hinterkopf entnommen, mit einer Flüssigkeit aufbereitet und dann mit dem Pen in die kahlen Stellen des Schädels eingedrückt. Der Arzt selbst war nicht mehr dabei. Über neun Stunden hinweg immer die gleiche Abfolge. Der Pen hat die ganze Zeit geklickt. Klick. Klick. Klick. Insgesamt wurden meinem Freund 3.200 Haare transplantiert.
Erfolgreich?
Wie jeder Eingriff birgt auch die Haartransplantation Risiken. Zum einen kann es passieren, dass die Haare nicht wachsen. Zum anderen können sich die Wunden entzünden. Bei meinem Freund verlief aber alles gut. Mittlerweile hat er wieder dichtere Haare. Für ihn war es eine Erlösung. Er meint aber, dass er in ein paar Jahren wohl nochmal nach Istanbul will, weil der Prozess des Haarausfalls bei ihm noch nicht vorbei ist.