Made in Pforzheim

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Petra Herbert porträtiert ungewöhnliche Einwohner Ihrer Heimatstadt Pforzheim.

Name: Petra Herbert
Geboren: 1985, Sibiu, Rumänien
Ausbildung:  Fotografie- und Medienstudium an der FH Bielefeld
Homepage: www.petraherbert.com

In der Einleitung Ihres Bildbandes What We've Got Is Gold beschreiben Sie Pforzheim mit, sagen wir mal, liebevoller Abneigung – welche Beziehung haben Sie zu dieser Stadt?
Ich habe 18 Jahre lang in Pforzheim gelebt, also meine gesamte Jugend dort verbracht. Damals wollte ich so schnell wie möglich da weg. Aber mein Projekt ist nicht nur eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "Heimat", sondern eine Mode-Reportage.

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Autoverkäufer, Tulpenbeete, Porzellanadler, Hipster, Häuserfassaden und Goldbarren – was schließt die Klammer um Ihr Projekt?
Dazu muss ich ein bisschen ausholen: Wie der Titel schon andeutet, ist Gold ein zentrales Thema – es dient mir als Synonym auf die Frage, welche Dinge wir mit welchem Wert bemessen und warum, man sich wie darstellt. Pforzheim erlebte in den Fünfzigerjahren einen Wirtschaftsaufschwung. Es wurde zu einem Schwerpunkt in der Schmuck- und Uhrenproduktion. Deshalb legen einige Pforzheimer auch besonderen Wert auf Statussymbole. Auch das Stadtbild ist davon geprägt: Man trifft in dieser 100.000-Einwohner-Stadt zum Teil auf Menschen, die man eher auf dem Hamburger Kiez erwarten würde. Die Architektur ist fürchterlich – neben den klobigen Nachkriegsbauten stehen die geschmacklosesten Villen. Eine andere Verbindung ergibt sich aus der Herkunft des Goldes: Die gängigste Theorie ist die, dass es aus einer Supernova stammt und durch Meteoritenaufprall in unsere Erdkruste gelangt ist. Für mich spiegelt das auch die Stadt wieder, die irgendwie fremdartig scheint und Seltenheitswert besitzt.

Sind Ihre Bilder inszeniert oder dokumentieren sie das Stadtleben?

Obwohl mein Projekt keine Dokumentation ist, gibt es durchaus solche Elemente: Ein Teil der Menschen, die ich ausgesucht habe, sind mir auf der Straße begegnet. Werner zum Beispiel - ein Autohändler mit Vokuhila-Schnitt und viel Goldschmuck am Körper. Er stand genau so vor mir. Ich bin später noch bei ihm zu Hause gewesen und habe die Kleidung fürs Foto aus seinem Kleiderschrank mit ihm zusammen ausgesucht. Einige habe ich drei, vier Mal besucht, mit ihnen Kaffee getrunken und einfach nur zugehört, bevor ich überhaupt ein einziges Foto gemacht hatte. Die Bilder wurden auch bei ihnen zu Hause aufgenommen. Meine Inszenierung beginnt bei der einfachen Bühne, die ich mit ein bisschen Stoff und Gaffa-Band improvisiert habe. Die Modelle konnte ich so vom Betrachter entfernen, sie erheben und ihre Künstlichkeit betonen.

Beim Anblick Ihrer Protagonisten vermutet man zunächst, dass Sie eine ganz bestimmte Schicht fotografiert haben.
Da waren zum Beispiel ein Autohändler, ein Model, eine Studentin und eine Casinomitarbeiterin. Ich habe keine bestimmte Außenseiter-Clique fotografiert, sondern die gesellschaftliche Mitte. Meine "Goldstücke" sollen zeigen, dass die äußere Erscheinung nicht unbedingt auf den sozialen Status schließen lässt. Am Ende kannten sich aber trotzdem irgendwie alle untereinander.

Mir kommt es vor, als würden Ihre Bühnen die Modelle ein wenig ins Lächerliche ziehen – war das Ihre Absicht?
Die Bühne als solche verbinde ich mit einer gewissen Theatralik und Situationskomik. Sie hilft mir das skurrile Erscheinungsbild meiner Modelle noch zu überspitzen. Abwerten soll sie sie aber keinesfalls.

Welches Ihrer Bilder gefällt Ihnen selbst am Besten?
Xenia. Die Frau im blauen Kleid. Sie hat so viel Ausdruck in ihren Augen, ihre Körperhaltung ist sehr stolz. Ich habe mich gleich gefreut, als ich es gesehen habe.

Wie ist das Foto der Goldbarren entstanden?

Das hätte ich vielleicht früher sagen müssen, aber alles Gold ist fake. Die Goldbarren waren nur aus Plastik.

Was macht für Sie ein gutes Foto aus?

Mich fesselt Mode- in Verbindung mit Reportage-Fotografie, wie Martin Parr sie umsetzt. Die normale Modefotografie ist mir zu ernst – zwei androgyne Models, ernster Blick, kühles Licht. Meine Bilder sollen knallen und die Geschichte mit einem Augenzwinkern erzählen.

Können Sie Sich in Pforzheim jetzt überhaupt noch blicken lassen?
Ich wurde schon auf meine Fotoreihe angesprochen – und habe nur Positives zu hören bekommen. Man kann es auch so sehen: Eigentlich mache ich ja die ganze Zeit Werbung für den Pforzheimer Tourismusverband.