Rapper auf Mission

Kanye West hält auf dem Coachella-Festival eine Art Ostergottesdienst ab und trägt dabei mönchische Gewänder. Am Merch-Stand konnten seine Jünger die überteuerten Produkte kaufen. Stilkritik einer eher unchristlichen Veranstaltung.

Foto: Getty Images / Rich Fury

Man mag Kanye West eine Vielfalt an Dingen unterstellen – Bescheidenheit zählt nicht dazu. Der Rapper, dessen Überschwang und Selbstverherrlichung (»My greatest pain is that I will never be able to see myself perform live«) den vielzitierten Ausdruck »I love you like Kanye loves Kanye« zur gängigen Liebeserklärung gemacht haben (und ihn selbst zu seinem Song »I love Kanye« inspirierten), hat sich bereits mehrfach als Genie, Legende und zukünftigen US-Präsidenten bezeichnet. Nun scheint er auf eine weitere seiner vielen Berufungen gestoßen zu sein: der des Kirchenoberhaupts.

Seit Anfang des Jahres hält Kanye West regelmäßig sogenannte »Sunday Services« ab, bei denen er zusammen mit einem Chor Gospel-Versionen seiner beliebtesten Lieder vorträgt. Teilnehmen kann nur, wer eingeladen ist – unter der auserwählten Gemeinde sollen sich neben seiner Frau Kim Kardashian West (die selbstverständlich auch die Vorreiterrolle in Sachen Dokumentation der Geschehnisse einnimmt) und dem gesamten Kardashian-Jenner-Clan bereits Celebrities wie Courtney Love, Katy Perry oder Rapper DMX befunden haben, der bei Wests »Gottesdienst« vergangenen Monat ein Morgengebet sprach. Das Ganze wurde bisher an den verschiedensten Orten abgehalten – von Wests eigenem Zuhause über Schauplätze in der Natur bis zum Nordamerika-Headquarter von Adidas – und gipfelte am vergangenen Wochenende beim kalifornischen Coachella-Festival. Hier inszenierte West am Ostersonntag einen über zweistündigen Sunday Service vor mehreren Zehntausend Fans auf einem extra dafür angelegten Hügel außerhalb des zentralen Festival-Geländes. Ja, die Referenz zum Göttlichen liegt bei West, der seinem Sohn immerhin den Namen Saint gab, nahe.

Was bei seinem Coachella-Auftritt neben der Kulisse, den energetischen Tänzern und dem Chor besonders eindrücklich war: die uniforme Kostümierung der gesamten Truppe. Alle in die Performance eingebundenen Personen trugen weite, einfarbige Gewänder in einem pudrigen Tonschema zwischen Beige, Flieder und Pflaume, was sich im Falle Wests sogar über dessen Millimeter-Haarschnitt erstreckte. Sieht so seine Vision von Mönchsgewändern aus?

Meistgelesen diese Woche:

Das Auftauchen religiöser Referenzen in der Mode ist nicht neu, ebenso deren Verwendung in der Popkultur. Madonna tanzte einst mit Kruzifix und Trägerkleid durch ihr »Like a prayer«-Video (welches daraufhin vom Vatikan verurteilt wurde), Michael Jackson stilisierte sich im »Earth Song« als Erlöser, der die Menschheit aufruft, sorgsamer mit der Schöpfung Gottes umzugehen, und auch unter jüngeren Popstars wie Justin Bieber sind Jesus-Zitate und Rosenkränze keine Seltenheit.

Was neu ist an Kanye Wests spiritueller Inszenierung, ist deren Durchkommerzialisierung. Nicht nur, dass die Gewänder des Rappers, seinen Kollegen auf der Bühne und auch den Kardashian-Jenner-Schwestern im Publikum (hier natürlich in sehr viel körperbetonteren Varianten) auffällig an Modelle seiner eigenen Yeezy-Modelinie erinnern und dank der enormen Social-Media-Power der Familie zahlreiche kaufwillige Nachahmer finden dürfte, West verkaufte vor Ort auch gleich noch sein eigenes Kirchen-Merchandise. An Ständen mit der Aufschrift »Church Clothes« konnten West-Jünger schlichte T-Shirts und Sweatshirts mit Aufdrucken wie »Holy Spirit« oder »Trust God« kaufen. Wem die rund 165-225 US-Dollar für die Kollektionsteile zu viel waren, der konnte sich immer noch mit einem Paar weißen Tennissocken mit »Jesus Walks«-Schrifzug trösten – für schlappe 50 Dollar.

Im Internet wurde schnell der Vorwurf von Blasphemie laut und West als »Prophet für Profit« bezeichnet. Mit Christlichkeit und Almosen hat die Luxus-Sportswear tatsächlich nichts zu tun. West ist möglicherweise eben doch vor allem Teil der geschäftstüchtigsten Eigenvermarktungsfamilie Amerikas. Was die Designs seiner Kirchenmode anbelangt, so könnte er allerdings etwas Nachhilfe gebrauchen – Jesuslatschen und Leinengewänder sehen irgendwie anders aus. Vielleicht kann er zur Inspiration ja im nächsten Jahr mal bei den Oberammergauer Passionsspielen vorbeischauen, dort dürften sich ein paar Experten fürs Messias-Styling finden.

Wird getragen von: Rappern, dem Kardashian-Jenner-Clan, Streetwear-Jüngern
Wird getragen mit: Viel Ego, Rosenkranz
Typischer Facebook-Kommentar: Kollektion statt Kollekte