Aus ethischer Sicht scheint mir vor allem eines wichtig: Was, argwöhnen Sie, könnte Ihr Ex sich durch die Gutscheine erkauft haben? Ihre Zuneigung? Das mag jetzt eigenartig klingen, aber gerade in Liebesdingen wäre so ein Vorgehen nicht unüblich. Oder liegt automatisch etwas Schlechtes in einem Strauß von fünfzig oder gar hundert roten Rosen? Damit kann man sich in das Herz seiner oder seines Liebsten »einkaufen« und doch muss, wer sich von einem derartigen Präsent anrühren lässt, noch lange nicht käuflich sein. Man kann die Großzügigkeit eines Geschenks nämlich als Symbol des Ausmaßes der Zuneigung sehen; oder als Zeichen der Reue, falls die Gabe als Entschuldigung gedacht war. Verwerflich wird es erst, wenn der materielle Aspekt oder Berechnung in den Vordergrund treten – egal auf welcher Seite. Ob sich etwas an der Zu- oder Abneigung gegenüber Ihrem Ex geändert hat, können nur Sie selbst wissen. Aber auch wenn nicht – mit den Gutscheinen hat er sich Platz in Ihrem Bewusstsein verschafft: Sie denken beim Blick in den Spiegel an ihn und darüber nach, ob Sie sich haben kaufen lassen. Warum, das betrifft mehr die Emotionen als die Moral, deshalb habe ich eine Psychologin befragt. Die riet, angesichts einer solchen Assoziation darüber nachzudenken, ob die Käuflichkeit nicht schon länger, vielleicht auch während der Beziehung, ein Thema für Sie war.Müssen Sie sich nun graue Haare wachsen lassen? Moralisch sehe ich keinen Grund dafür, solange Sie Ihr Verhalten nicht allein des Geldes wegen ändern. Nur ob Sie mit der gesponserten Frisur glücklich werden, da habe ich Bedenken. Und vielleicht hätte es umgekehrt sogar etwas Reinigendes, wenn Sie die schon bezahlten Gutscheine absichtlich verfallen lassen.
Die Gewissensfrage
»Vor etwa einem Jahr habe ich mich nach achtjähriger Beziehung sehr unschön von meinem Freund getrennt, weil sich herausstellte, dass ich jahrelang betrogen worden war. Nun hat er mir zum Geburtstag drei Gutscheine für meinen sündhaft teuren Friseur geschenkt. Obwohl ich im Gegensatz zu ihm gerade nicht viel Geld habe, wollte ich sie aus Stolz nicht einlösen. Mein Friseur erklärte mich daraufhin für verrückt, zumal mein Ex im Voraus bezahlt habe, und überredete mich. Der Haarschnitt ist fantastisch, aber wenn ich nun in den Spiegel blicke, kann ich mich nicht darüber freuen. Jedes Mal frage ich mich, ob ich käuflich bin! Sollte ich die restlichen Gutscheine doch lieber verfallen lassen?« JASMIN T., MÜNCHEN