»Als ich heute in der Fußgängerzone war, habe ich einen Mann beobachtet, der mit seinem Handy telefonierte und mit seinem Gesprächspartner offenbar einen Streit hatte. Plötzlich zitierte er ihm den Götz und warf sein Handy in einen neben ihm stehenden Mülleimer. Danach ging er weiter seines Weges. Nun natürlich die Frage: Darf man sich dieses Handy dann nehmen?« Tobias F., Bonn
Des einen Leid, des andern Freud. So lässt sich die Situation aus Ihrer Sicht wohl kurz zusammenfassen. Tatsächlich freut man sich gemeinhin über ein neues kostenloses Handy. Noch dazu hört man landauf, landab ständig, dass Mobiltelefone nicht in den Müll gehören, sondern recycelt, am besten jedoch weiterverwendet. Und genau das haben Sie vermutlich vor, wenn Sie das Handy aus dem Mülleimer fischen und damit vor dem Flammentod in der Verbrennungsanlage retten.
Rechtlich betrachtet ist das Ganze nicht so einfach. Es könnte sich um eine sogenannte Dereliktion handeln, eine Eigentumsaufgabe, die Sie zur Aneignung berechtigt: Etwas in hohem Bogen in einen Mülleimer zu werfen, kann man ohne großes Verbiegen als Ausdruck des Verzichts darauf interpretieren. Allerdings ist da in Bezug auf Müll vieles umstritten, und es würde mich nicht wundern, wenn Ihre Frage demnächst in Juraklausuren auftaucht.
Glücklicherweise muss uns das hier nur am Rande interessieren, da es um die moralische Seite geht. Die würde ich durch simples Nachdenken über die Situation lösen. Wenn man davon ausgehen könnte, dass der erzürnte Handywerfer sein Mobiltelefon tatsächlich endgültig loswerden wollte, wäre es besser, es aus dem Müll zu fischen, als dort zu lassen. Nur kann man das kaum annehmen. Vermutlich wird er in ein paar Minuten zur Besinnung und zurückkommen – und sich ärgern, falls sich jemand sein teures Gerät schon geangelt hat. Wenn Sie nett sind, bleiben Sie kurz stehen und geben es ihm zurück. Ansonsten dürfte es sehr bald läuten, mit einem verwunderten Vorbesitzer in der Leitung.
Zu guter Letzt: Moderne Handys können Sie ohnehin nicht einfach so benutzen, weil Sie dazu eine Sperre überwinden müssten. Und das gelingt ohne Mithilfe des vorherigen Besitzers nur in der Halblegalität. Bestenfalls.
Literatur:
Bürgerliches Gesetzbuch BGB
§ 958 Eigentumserwerb an beweglichen herrenlosen Sachen
(1) Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigentum an der Sache.
(2) Das Eigentum wird nicht erworben, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird.
§ 959 Aufgabe des Eigentums Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt.
Für Verpackungsabfälle:
Gutachten „Eigentum an Verpackungsabfällen“ Von Rechtsanwalt Dr. Alexander Schink, Staatssekretär a.D. Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs im Auftrag des bvse - Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Bonn und des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V., Berlin, online abrufbar
Zur Rechtslage bei Gemälden, die ein Künstler zum Sperrmüll auf die Straße gestellt hat siehe LG Ravensburg, Urt. v. 3.7.1987 – 3 S 121/87 = NJW 1987, 3142
Der Fall fand sich dann auch wieder in der 1. Zivilrechtsklausur Dezember 2011, NRW und Hamburg, online abfrufbar
Illustration: Serge Bloch