»Nachdem ich online ein günstiges Ladekabel bestellt hatte, kam es kaputt an. Deshalb habe ich den Verkäufer mit null Punkten bewertet. Das Geld bekam ich problemlos zurückerstattet. Seitdem erhalte ich flehentliche Mails, bitte die schlechte Bewertung zu löschen und eine gute zu schreiben, man würde mir auch ein Kabel schenken. Soll ich dem Verkäufer den Gefallen tun oder unbestechlich bleiben?« Jochen D., München
Ihre Frage hat mehrere Ebenen: die Bewertung selbst, die Bitte um Änderung und die »Bestechung«. Ein Produkt, das von Anfang an nicht funktioniert, mit null Punkten zu bewerten, scheint zunächst logisch, kann aber nur teilweise überzeugen. Denn zur Bewertung eines Kaufs gehört neben dem Produkt selbst auch die Abwicklung. Und die Erkenntnis, dass man bei einem niedrigen Preis damit rechnen muss, dass die Qualitätskontrolle nicht perfekt ist. Entscheidend ist dann, wie der Verkäufer darauf reagiert. Wenn man problemlos Ersatz oder den Kaufpreis erstattet bekommt, ist die Sache nicht ideal, entspricht aber auch nicht null Punkten. Wie sollte man sonst einen Verkäufer bewerten, der auf Reklamationen nicht reagiert oder sie abwimmelt?
Deshalb ist es durchaus legitim, einen Kunden zu ersuchen, seine vielleicht im anfänglichen Ärger zu harte Bewertung zu überdenken. Andererseits kann das gesamte System der Bewertungen nur funktionieren, wenn die Kunden es ernst nehmen und nicht aus Sympathie, Mitleid oder nur um ihre Ruhe zu haben zu gute Bewertungen geben.
Das leitet über zur »Bestechung« mit dem Kabel. So etwas wäre nur vertretbar, wenn es darum ginge, einen Anreiz zum Überdenken der Bewertung zu geben, nicht jedoch, um eine bessere Bewertung zu erkaufen. Das nämlich würde bedeuten, dass Sie gegen Bezahlung an einer Täuschung künftiger Käufer mitwirken, und das ist nicht vertretbar.
In der Summe kann ich die Bitte des Verkäufers, Ihre Bewertung zu überdenken, nachvollziehen. Denn nach Ihrer Schilderung erscheinen mir null Punkte ebenso falsch wie die volle Punktzahl. Ich würde in die Mitte tendieren. Wie viele Punkte Sie genau geben wollen, bleibt Ihnen überlassen. Wichtig ist, dass Sie ehrlich bleiben und sich nicht von sachfremden Gründen leiten lassen.
Hinweis: Zur Frage, ob man moralisch verpflichtet ist, bei Onlinekäufen oder Nutzung eines Portals selbst eine Bewertung abzugeben, gab es hier schon einmal eine Gewissensfrage.