Das Problem: Fußballstadien gelten normalerweise nicht als Oase der Nachhaltigkeit und als Paradies für Veganer.
Die Lösung? Die Forest Green Rovers sind der erste karbonneutrale und vegane Sportverein der Welt
Wenn die Forest Green Rovers anfangs in ihren knallgrünen Trikots zum Anpfiff aufliefen, mussten sie sich oft Spott anhören: »Da kommt die Humus-Fraktion!« gehörte noch zu den harmlosesten Sprüchen. Oder: »Na, heute schon deine Salatblätter gezählt?«
Der britische Fußballverein spielt in der »League Two«, die verwirrenderweise die vierthöchste Spielklasse des englischen Fußballs ist; unterklassig also, aber immer noch Profisport. Der Name kam ursprünglich schlicht daher, dass die Gegend in Nailsworth bei Gloucestershire 150 Kilometer westlich von London »Forest Green« genannt wird. Aber inzwischen hat der Name eine ganze neue Bedeutung gewonnen, denn die Fußballspieler sind wirklich auf dem besten Weg, »waldgrün« zu werden. Sie wurden von der FIFA zum »grünsten Fußballverein der Welt« erklärt, sind der erste Sportverein, der von den Vereinten Nationen als karbonneutral anerkannt wurde, und ihr Stadion ist das einzig komplett vegane Fußball-Stadion der Welt.
Vereinseigentümer Dale Vince, 54, gibt zu, dass das »vielleicht ein bisschen merkwürdig klingt für Fans, die Burger und Pommes bei Spielen gewohnt sind«, aber er hat gute Gründe, in den normalen Spielverlauf reinzugrätschen: »Wir sind der erste vegane Fußballverein der Welt geworden, weil es besser für die Umwelt und für das Tierwohl ist, aber auch, weil es die Leistung der Spieler verbessert und wir den Fans damit gesünderes, leckeres Essen an Spieltagen anbieten.« Außerdem, sagt er, seien Spitzensportler wie Lionel Messi, Lewis Hamilton und Venus Williams ebenfalls Veganer geworden, um ihre Leistung zu verbessern, so falsch könnten die ja nicht liegen.
Ein veganer Ernährungsberater coacht die Spieler, wie sie mit proteinreicher Nussbutter und Tofu die Muskeln für Torerfolge aufbauen. Ihr Stadion »The New Lawn« wird zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt, unter anderem durch die Solarpaneele auf dem Dach. Und auch ihr Fußballfeld ist wohl das einzige wirklich ökologische Fußballfeld der Welt, denn es kommt ganz ohne chemischen Dünger aus, wird mit Regenwasser bewässert und von einem mit Solarenergie betriebenen Roboter gemäht. Gärtner Adam Witchell reisst jedes Unkraut einzeln per Hand aus.
Die Caterer des berühmten Wembley-Stadions wollten von der Küchenchefin wissen, was in der veganen Pastete ist, mit der sie mehrere Gourmet-Preise gewann
Normalerweise zählen Fußballfans eher nicht zur zentralen Zielgruppe von Ökomissionaren, aber hier werden die Fans ermutigt, ohne Auto zu den Spielen zu fahren. Wenn doch mit Auto, dann bitte mit Elektroauto, denn dann können die Fans die Ladestationen am Stafion benutzen. Oder das Biobenzin abholen, das die Stadion-Küche aus recyceltem Frittieröl herstellt. Es geht noch weiter: Seit Februar hat der Fußballverein einen veganen Catering-Service, die Little Green Devils. Die Chefin der »kleinen grünen Teufel«, Jay Crawford, ist selbst Veganerin und stolz auf ihre Gourmet-Veggieburger, die veganen Fajitas und Hotdogs.
Das Öko-Engagement von Spielern und Fans hat nur bedingt mit Gutmenschentum zu tun. 2010 wäre der Verein beinahe pleite gegangen. Auf der Suche nach einem Sponsoren zur Vereinsrettung stieß man auf einen örtlichen Geschäftsmann, Dale Vince, der mit grüner Energie steinreich geworden war (»Ecotricity«) und als eine Mischung aus veganem Hippie und knallhartem Multimillionär auftritt. Zu seinem Undercut trägt er einen Seidenschal mit Totenköpfen. Jahrelang lebte er in einem ausrangierten Armee-Truck ohne Stromanschluss, bis er in Cornwall zum ersten Mal auf einen Windpark stieß. Das inspirierte ihn, seinen eigenen Windpark zu bauen, und die Wind-Energie machte ihn reich.
Fußballnarr ist er auch, und er wollte dem Verein helfen, aber ihn gleichzeitig ökologisch runderneuern. Als er zum ersten Mal zum Training eingeladen wurde, gab es Fleischlasagne, und der Veganer Vince war nach eigenem Bekunden »geschockt. Plötzlich war ich Teil der Fleischindustrie. Ich fragte: Können wir damit aufhören?« Ab dem Tag wurde rotes Fleisch vom Speiseplan gestrichen, und über den Zeitraum von einigen Jahren schließlich auch alle anderen tierischen Produkte. Vince verbannte Burger und Würstchen aus dem Stadium und kaufte jedem Spieler ein Elektroauto. Die Fans fürchteten zuerst, der Verein schieße damit ein Eigentor: »Es gab Leute, die sagten: Du wirst den Verein kaputtmachen.« Aber es hat funktioniert: Der einst darbende Verein hat nun tatsächlich beinharte Fans auf der ganzen Welt, und aufgestiegen ist er auch, zum ersten Mal in der 130jährigen Vereinsgeschichte.
Der Chef kontrolliert zwar nicht, was die Spieler abseits des Platzes essen (einige Boulevardzeitungen brachten bereits Paparazzi-Fotos, auf denen die Spieler genüsslich in einen Cheeseburger beissen), aber einige der Sportler haben sich wirklich der veganen Diät verschrieben. Stürmer Ruben Reid, 31, redet gerne darüber, dass die neue Ernährungsweise sein Durchhaltevermögen und seine Fitness verbessert. »So gut wie jetzt ging es mir noch nie«, erzählte Reuben der Taz. »Ich schlafe besser, habe weniger Verletzungen und bessere Haut, verlor ein bisschen Gewicht.« Früher sei er Steak-Fanatiker gewesen, aber die Krebserkrankung seiner Frau habe ihn umdenken lassen. Denn ihre Ärzte empfahlen ihr eine vegane Ernährung.
Die grüne Vereins-Politik ist längst mehr als ein PR-Gag: Inzwischen hat sogar die UEFA einen Greenkeeper vorbeigeschickt, um zu fragen, wie die Waldschrate ihren Rasen ohne Chemikalien so grün halten (Antwort: mit Seetang aus Schottland), und die Caterer des berühmten Wembley-Stadions wollten von der Küchenchefin wissen, was in der veganen Pastete ist, mit der sie mehrere Gourmet-Preise gewann. Das Stadion verkauft nach eigenen Angaben nun vier Mal soviel Essen wie vorher. Der Verein brüstet sich, er habe mittlerweile zwei Millionen Fans online, was für einen Viertligisten wirklich viel ist. »Wir stehen an der Spitze einer neuen Bewegung«, schwärmt Vince.
Und das ist erst der Anfang: Die Pläne stehen für den Neubau des ersten wirklich völlig nachhaltigen Fußballstadions aus recyceltem Holz für 5000 Zuschauer. Die preisgekrönte Architektin Zaha Hadid, die auch schon das Stadion für die Fußball-WM 2022 in Qatar und das Wassersportzentrum für die Olympischen Spiele in London entwarf, hat es vor ihrem Tod im Jahr 2016 noch geplant, und es soll inmitten von 500 Bäumen zu einem Paradies für Nachhaltigkeit wachsen. Bis dahin macht der Verein die CO2-Bilanz von geschätzten 200 Tonnen pro Jahr, (vor allem verursacht von Auswärtsreisen und Fans) durch Ausgleichszahlungen in den UN-Klimafonds wett.
»Humus-Fraktion« sagt heute keiner mehr. Aber die Green Rovers würden es auch gar nicht als Beleidigung begreifen. Im Gegenteil, sie haben den Spruch umgedreht: »Bald werdet ihr Humus essen, wenn die Green Rovers kommen.«