Es gibt sie noch, die guten Nachrichten

Wieder endet ein Jahrzehnt voller Katastrophen. Dabei wird die Welt jedes Jahr auch ein bisschen besser. Hier sind sechs Entwicklungen, die in der vergangenen Dekade Anlass zur Freude waren.

Foto: dpa

Jetzt, wo wir kurz davor stehen, in ein neues Jahrzehnt aufzubrechen, ist ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen. Und zwar nicht mit den größten Katastrophen, sondern mit den besten Entwicklungen.

Vier von zehn Lesern (39 Prozent) sagen laut der jüngsten Reuters-Studie, dass die Medien zu negativ sind. Das Reuters Institute hat dazu immerhin 75.000 Menschen in 38 Ländern befragt. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) klagen, die Medien vermiesen ihnen regelmäßig die Stimmung. 

Gut, manchmal lässt sich das nicht vermeiden. Über den Brexit-Wahnsinn, die Trump-Tweets und das Boeing-Desaster müssen wir natürlich berichten. Tatsächlich aber gibt es auch eine ganze Reihe guter Nachrichten, die in der täglichen Berichterstattung untergehen oder über die wir vielleicht nur auf Seite 7 berichten, obwohl sie eigentlich so wichtig sind, dass sie auf Seite 1 gehören.

Meistgelesen diese Woche:

Unter anderem dank des (inzwischen leider verstorbenen) schwedischen Wissenschaftlers Hans Rosling wissen wir: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, immer mehr Kinder werden geimpft, immer weniger Menschen leben in Armut, die Zahl der Todesfälle pro Jahr durch Naturkatastrophen hat sich in den letzten 100 Jahren halbiert. Schritt für Schritt, Jahr für Jahr wird die Welt besser. Nicht überall und nicht für jeden Einzelnen, aber die Richtung stimmt. Hier sind meine sechs besten Nachrichten des Jahrzehnts:

1. Arbeitslosigkeit in Deutschland auf niedrigstem Stand seit zehn Jahren

Allen Konjunkturpessimisten und Handelskriegen zum Trotz: Die Zahl der Arbeitslosen sinkt in Deutschland jedes Jahr. Im November sank sie auf 2,18 Millionen – den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Besonders schön: Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen geht weiter zurück. Im November waren es erstmals weniger als 700.000 Menschen, die seit mehr als einem Jahr ohne Arbeit sind.

2. Das Ozonloch über der Antarktis schloss sich schneller als erwartet

Gut möglich, dass das auslaufende Jahrzehnt als die Dekade in die Geschichte eingehen wird, in der wir rekordverdächtig viel CO2 raushauten und den Klimawandel verschliefen. Aber es gibt ein Beispiel, das wunderbar illustriert, wie es möglich ist, globale Umweltkatastrophen zu verhindern, wenn alle zusammenhalten: Das Ozonloch über dem Südpol, das sich jedes Jahr wieder auftut, hat sich 2019 so früh geschlossen wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Ozonloch? War da was? Genau, in den Siebziger- und Achtzigerjahren wuchs das Bewusstsein, dass wir Menschen Ozonkiller raushauen – vor allem Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in Kühlschränken und Sprühdosen –, die den Abbau von Ozon beschleunigen und damit den natürlichen Schutz der Erde vor schädlicher Sonnenstrahlung beeinträchtigen. Eine weltweite Allianz, diese Stoffe zu verbieten, war 1987 erfolgreich. Wenn 198 Staaten 1987 in Montreal den Verzicht auf Ozonkiller nicht beschlossen hätten, wäre die Erde bis Mitte dieses Jahrhunderts noch ein zusätzliches Grad wärmer, denn FCKW und ihre Artverwandten sind auch hochwirksame Treibhausgase, die das Klima noch stärker aufheizen als Kohlendioxid.

Es geht also doch.

Auch wenn die schnellere Erholung der Ozonschicht in diesem Jahr auch auf wärmeres Wetter über der südlichen Erdhälfte zurückgeht, ist es doch ein positives Omen. Die Weltorganisation für Meteorologie geht davon aus, dass sich die Ozonschicht vollständig erholen wird. Zumindest dieses Umweltproblem ist fast gelöst.

Und überhaupt: Auch wenn die Regierungen immer noch zu langsam reagieren und gerade wieder eine Klimakonferenz verschlammasselten, die weltweite Aufmerksamkeit für Greta Thunberg, die millionenfachen Schulstreiks und die gesamte Fridays for Future Bewegung zeigen deutlich, dass das Thema Klimakrise endlich so stark ins Bewusstsein gedrungen ist, dass die Regierungen und Industrievertreter im nächsten Jahrzehnt mit Entschuldigungen nicht mehr durchkommen.

3. Mehr Menschen als jemals zuvor gehen in Demokratien wählen

Es macht mir Angst, dass einige der größten und mächtigsten Demokratien der Welt gerade ausgesprochen undemokratisch agieren, allen voran die USA, Indien und Brasilien.

Was aber auch stimmt: Weltweit dürfen mehr Menschen als jemals zuvor in Demokratien wählen gehen. Vor vierzig Jahren wurden fast zwei Drittel der Länder weltweit von Autokraten regiert und nur ein Viertel von demokratisch gewählten Regierungen, inzwischen sind laut des Center for Systemic Peace mehr als die Hälfte Demokratien

4. Die Ehe für alle hat in Skandinavien die Suizidrate halbiert

So deprimierend die Welt auch scheint, weltweit sind die Suizidraten in den letzten 25 Jahren um 38 Prozent gesunken. Das sind vier Millionen Leben. Bisher machten Psychologen international besonders den wirtschaftlichen Aufstieg und die Emanzipation von Frauen in Asien dafür verantwortlich. Nun kommt eine weitere Ursache für den Rückgang dazu, denn statistisch gesehen nehmen sich mehr Homosexuelle als Heterosexuelle das Leben. Die Suizidrate sinkt aber erheblich in Ländern, in denen die Schwulenehe der Heteroehe gleichgestellt ist, allen voran in Skandinavien: Dänemark war das erste Land der Welt, das schon 1989 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften anerkannte; Schweden zog 1995 nach. Schweden führte die Ehe für alle 2009 ein, Dänemark 2012. In beiden Ländern sank die Suizidrate unter Homosexuellen laut des Dänischen Instituts zur Suizidprävention in den letzten Jahren um 46 Prozent! Zum Vergleich: Bei heterosexuellen Paaren sank die Rate um 28 Prozent.

Die Forscher werteten dazu Daten von mehr als 28.000 Menschen über den Zeitraum von 1989 bis 2016 aus. Forscher vermuten als Hauptgründe die geringere Stigmatisierung und allgemein gestiegene Akzeptanz.

5. Indien hat seine Armutsrate halbiert

Die Weltbank meldet, dass Indien seine Armutsrate seit 1990 mehr als halbiert hat. Mussten 2011 noch insgesamt 268 Millionen Menschen mit weniger als 1,90 Dollar pro Tag zurechtkommen, soll die Zahl bis Ende dieses Jahres auf 40 Millionen Menschen schrumpfen.

Die ganze Welt ist bei der Armutsbekämpfung tendenziell auf dem richtigen Weg. Laut der Weltbank und des World Data Lab sank die Rate extremer Armut in den letzten zwanzig Jahren von 50 auf 30 Prozent, Kindersterblichkeit von 14 auf 7 Prozent, und der Zugang zu Wasser und Toiletten verdoppelte sich fast von 22 Prozent auf 41 Prozent. Das heisst: Zum ersten Mal seit Beginn der Neuzeit lebt die Mehrheit der Menschen nicht mehr in Armut. Mehr als 50 Prozent der Menschen gehören jetzt zur Mittel- oder Oberklasse. Das ist auch deshalb eine gute Nachricht, weil Menschen deutlich glücklicher sind, wenn sie sich aus der Armut befreien konnten.

6. Der Buckelwal-Bestand erholt sich

Ausgesprochen tragisch finde ich die regelmäßig zu sehenden Bilder von gestrandeten und elendig verreckenden Walen, aus deren Mägen dann Tonnen von Plastiktüten und Gartenschläuchen gezogen werden.

Tatsache ist aber auch: Zumindest der Bestand der Buckelwale erholt sich. Die Forscher der University of Washington verkündeten im Fachjournal Royal Society Open Science, dass es fast wieder so viele Buckelwale im westlichen Südatlantik gibt wie vor Beginn der Waljagden, die die Tiere beinahe ausgerottet hätten. 

Im 18. Jahrhundert war die Zahl der Wale von 27.000 auf nur 450 Tiere gesunken, und in manchen Regionen bleiben sie gefährdet. Die Forscher schätzen, dass weltweit mindestens 300.000 Buckelwale geschlachtet wurden. Aber die Schutzmaßnahmen und Jagdverbote ab Mitte der Sechzigerjahre waren erfolgreich: Inzwischen zählen Wissenschaftler wieder 25.000 Wale im Südwestatlantik – genug, dass sich der Walbestand in der Region wohl dauerhaft erholen kann.

Die Ankündigung ist wichtig, weil sie Hoffnung gibt: Artenschutz funktioniert. Während wir Menschen einerseits kräftig Arten ausrotten und die Biodiversität auch in unseren Breitengraden dramatisch sinkt, ist aber auch bekannt, dass wir bis heute mehr als 90 Prozent aller Arten noch gar nicht kennen, jedes Jahr kommen Tausende neue hinzu.

Die Wissenschaftler der California Academy of Sciences freuen sich darüber, in diesem Jahr 71 neue Arten entdeckt zu haben. Zu den Lieblingsentdeckungen zählen der lilafarbene afrikanische Wakandafisch, der direkt einem Marvel Comic entsprungen scheint, die leopardengemusterte Meeresschnecke Janolus flavoanulatus und neue Korallen, die Meeresexpeditionen in der Tiefsee aufdeckten wie die zitronengelbe Chromoplexura cordellbankensis. Die sieht aus, als würde eine Zitrone in die Länge wachsen und anfangen zu tanzen. 

Wenn das kein Grund zur Freude ist! Wakanda Forever! Ein schönes neues Jahrzehnt wünscht Ihnen Ihre Michaela Haas.