Das Problem: 3,6 Milliarden Menschen leben bereits jetzt ohne sichere Trinkwasserversorgung.
Die Lösung: Wasser aus der Luft trinken.
Der Metallkasten, der vor dem Büro des kalifornischen Architekten David Hertz in einer Seitenstraße in Venice steht, würde nicht weiter auffallen, wäre er nicht über und über mit abstrakter Kunst besprüht. Die Obdachlosen im Viertel zapfen sich dort kostenlos ihr Trinkwasser ab, und der kommunale Garten um die Ecke wird daraus bewässert. Aber der Kasten ist nicht an eine Wasserleitung angeschlossen: Das Trinkwasser kommt aus der Luft, fast 600 Liter pro Tag.
David Hertz entwirft seit Jahrzehnten umweltfreundliche Häuser und interessiert sich »besonders für Gebäude, die mehr an die Umwelt zurückgeben, als sie nehmen. Bei der Energiefrage gelingt uns das schon, aber beim Wasserverbrauch bisher noch nicht«, sagt er. Deshalb wurde Hertz hellhörig, als er von Methoden erfuhr, Wasser aus der Luft zu filtern. »Die Atmosphäre enthält mehr Wasser als alle Flüsse auf der Erde zusammen«, sagt Hertz. »Die wichtigste Quelle für Trinkwasser ist um uns herum: die Luft, die wir atmen.« Selbst die trockenste Wüstenluft enthält noch Luftfeuchtigkeit, nachts oft bis zu 40 Prozent. Wüstenpflanzen nutzen diese Feuchtigkeit - warum also nicht auch wir Menschen?
Das Problem ist dringend: Die Vereinten Nationen schätzen, dass uns in spätestens 30 Jahren das Trinkwasser ausgeht. Schon jetzt leben fast vier Milliarden Menschen ohne sichere Trinkwasserversorgung.
Hertz engagierte den Erfinder Richard Groden, der ihm die »Skywater«-Box baute und in Venice vor die Tür stellte. Skywater nutzt das Kondensierungs-Prinzip: Wenn heiße Luft auf eine kalte Oberfläche trifft, kondensiert der Wasserdampf. Die Luft erhitzt der Erfinder entweder mit Solarenergie oder Bioabfällen. »Heute beträgt die Luftfeuchtigkeit fast 40 Prozent«, misst Hertz, »ein guter Tag, um Wasser zu machen. Wir produzieren ein tropisches Klima in einem Kasten.« Selbst im trockenen Kalifornien mitten in der Jahrhundertdürre stellt der kniehohe Metallkasten damit mehr Wasser her als das Architekturbüro, der Garten und die Obdachlosen verbrauchen.
Mit der Weiterentwicklung dieser Idee haben David Hertz und seine Frau Laura Doss-Hertz nun den Water Abundance XPrize gewonnen, einen mit 1,5 Millionen Dollar dotierten Visioneering-Preis der Australian Aid und Tata Group. 97 Teams aus 27 Ländern konkurrierten um die Prämie, aber nur die Hertzes erfüllten die drei Bedingungen: Innerhalb von 24 Stunden mindestens 2000 Liter Wasser aus der Atmosphäre zu gewinnen, und zwar mit 100 Prozent erneuerbaren Energien und zu einem Preis von höchstens 2 Cent pro Liter. Hertz träumt davon, die Skywater-Technik weltweit einzusetzen, nicht nur in Wüstenregionen, sondern auch in Katastrophengebieten wie Puerto Rico nach dem Hurrikan.
Das Ehepaar Hertz nimmt für die größeren Projekte ausrangierte Schiffscontainer, weil sie billig, praktisch und in vielen Ländern verfügbar sind. Sie können mit Solarpanelen oder Biomasse beheizt werden - »was auch immer zur Verfügung steht!«, sagt Hertz. »In Asien sind es Reishüllen oder Kokosschalen, in Afrika Holz- oder Agrarabfälle.« Je mehr Luftfeuchtigkeit und je höher die Temperatur, desto mehr Trinkwasser wird produziert. Nach der Kondensierung wird das Wasser gefiltert und mit Ozon behandelt, um es sauberer und haltbarer zu machen. »Wir sind sogar CO2-negativ«, sagt Hertz über das sogenannte »WeDew«-Verfahren, »denn wir trennen den Kohlenstoff, sammeln ihn und speichern ihn als Dünger im Boden.«
Hertz und seine Frau sind nicht die einzigen, die an luftigen Lösungen für die Wasserknappheit arbeiten. Am bekanntesten ist wohl die Firma EWA (Extraction of Water from Air) des israelischen Unternehmers Etan Bar. EWA saugt Wasser mit einem Gelgranulat auf Siziliumbasis auf. Auch der Chemiker Omar Yaghi von der University of California in Berkeley hat ein Verfahren entwickelt, das Luftfeuchtigkeit mit einem mikrokristallinen Pulver bindet. Ansonsten kommt seine Technik nur mit Sonnenlicht als Energiequelle aus. Vor allem dort, wo Wasser am dringendsten gebraucht werde, sei die Luftfeuchtigkeit meist niedrig, schreiben er und seine Kollegen im Wissenschaftsmagazin Science Advances. Aber die Sonne brenne dort oft intensiv. Die Sonne erhitzt das Pulver durch eine Glasplatte, damit die gebundene Feuchtigkeit verdunstet. Auch Yaghi setzt auf das Kondensationsprinzip, damit der Wasserdampf gesammelt und »geerntet« werden kann. Die Forscher haben die Technik nun zum ersten Mal nicht nur im Labor, sondern auch in der Wüste von Arizona getestet. Das Ergebnis: 100 Gramm Wasser pro Kilo Pulver in 24 Stunden. Nicht schlecht, aber noch nicht die Lösung für den Planeten.
Skywater dagegen wird schon seit Jahren in der Praxis erprobt. Hertz versorgt damit zum Beispiel nach den Waldbränden ein Kalifornien eine Gemeinde bei Malibu. »Mit den Schiffscontainern kann man dezentral und mobil Wasser ernten, damit ist man unabhängiger und resilienter als eine große, zentrale Infrastruktur.« Das amerikanische Militär hat die Technik erfolgreich getestet, in Liberien trinken Schulkinder das Himmelswasser, in Indien ein ganzes Dorf.
Und in Hollywood: Supermodels. Die Schauspielerin Miranda Kerr, die als Unterwäsche-Engel bei Victoria Secret bekannt wurde, bekam von ihrem Mann, Snapchat-Gründer Evan Spiegel, eine Skywater-Box 300 geschenkt, die jeden Tag 300 Gallonen Wasser produziert, also fast 1200 Liter. Es versorgt Kerrs Haus nicht nur mit Trinkwasser, sondern sprudelt auch aus der Dusche und bewässert den Garten, den Fischteich, den Swimmingpool und den Brunnen. »Wir haben bekanntlich ein enormes Dürreproblem in Kalifornien«, sagt Kerr. »Dieser Garten war total vertrocknet, als ich das Haus kaufte, und jetzt ist er so grün. Das System zieht das Wasser wirklich aus dem Himmel.«