Das Problem: In industrialisierten Ländern entzünden sich laut der WHO zwischen zwei und vier Prozent von Operationswunden, in Entwicklungsländern sind es gar elf Prozent.
Die Lösung: Wundfäden, die sich verfärben, sobald es an der Wundnaht zu einer Entzündung kommt.
Die 17 Jahre alte Schülerin Dasia Taylor aus North Liberty, Iowa, hat gerade den sogenannten Seaborg Award gewonnen, benannt nach dem Chemie-Nobelpreisträger Glenn T. Seaborg. Sie wurde damit für eine ungewöhnliche Erfindung auszeichnet: Wundfäden, die sich mit Hilfe von Rote-Bete-Saft bei Infektionen verfärben.
Wie funktioniert deine Erfindung genau?
Dasia Taylor: Ich habe Wundfäden entwickelt, die helfen, Infektionen sofort zu entdecken. Wenn sich eine Wunde entzündet, verändert sich die Farbe des Fadens, mit dem die Wunde genäht wurde, von rot zu dunkelviolett. Dazu habe ich Rote-Bete-Saft benutzt.
Wieso Rote Bete?
Ich habe nach etwas gesucht, das genau den richtigen pH-Wert hat. Gesunde Haut hat einen pH-Wert von etwa 5. Wenn sich eine Wunde entzündet, verändert sich der pH-Wert der Haut und geht auf 8 oder 9 rauf. Es gibt eine Reihe von Früchten und Gemüsesorten, die darauf reagieren, wenn sie mit unterschiedlichen Säurewerten in Berührung kommen, und die Rote Bete ändern ihre Farbe genau beim richtigen pH-Wert. Das ist ein perfekter Indikator. Dabei ist die Ironie daran, dass ich Rote Bete hasse – ich esse sie nie, aber für die Nähte funktionieren sie super.
Wie kamst du überhaupt auf die Idee, Wundfäden zu entwickeln?
Erstens, weil Grey’s Anatomy meine Lieblingssendung ist. Ich wollte lange Ärztin werden, [die fiktive Chefchirurgin] Meredith Grey war mein Vorbild. Ich habe mir schon vor Jahren die Grundausstattung schenken lassen, um Wunden zu nähen, und übe ständig daran, meine Technik zu verbessern.
»Ich nähe ständig Hühnerbrüste oder Rinderzungen, nur zum Spaß«
Du nähst echte Wunden?
Nein, aber ich nähe ständig Hühnerbrüste oder Rinderzungen, nur zum Spaß. Und der zweite Grund, warum ich mich bei dem Jugendforschungswettbewerb beworben habe, war, dass meine Chemielehrerin an der Iowa City West High School sagte, jeder könne sich bewerben, man könne Geld gewinnen, und wir könnten ein ganzes Jahr lang an einem Projekt forschen. Das ist doch supercool. Da hatte ich gerade gelesen, dass Forscher smarte Nähte entwickelt haben, die an eine Smartphone-App gekoppelt sind, die alle möglichen Werte anzeigt. Super, dachte ich, aber das ist eine Hightech-Lösung, die sich die Mehrheit der Menschen auf dem Planeten nicht leisten kann. Wundinfektionen sind vor allem in armen Ländern ein Riesenproblem, dafür braucht es eine ganze einfache und billige Lösung. So konnte ich in meiner Forschung mein Interesse an Medizin mit meinem Engagement gegen Rassismus kombinieren.
Wie groß ist das Problem, das deine Erfindung lösen soll?
Sie löst mehrere Probleme. Erstens interessiere ich mich besonders für Mütter in Entwicklungsländern. Beim Kaiserschnitt liegt die Infektionsrate in armen Ländern um die 20 Prozent, bei anderen Patienten im Durchschnitt bei 11 Prozent. Die Umgebung ist ja oft nicht steril, überall sitzen Bakterien. Zweitens, die Leute kommen meist zu spät ins Krankenhaus, die Kliniken müssen diese Patienten dann aufwändig behandeln, und oft sterben sie trotzdem, weil es zu spät ist. Und drittens hoffe ich, dass die Erfindung für das Militär nützlich sein könnte, also für Soldaten, die sich im Einsatz oder beim Training verletzen.
Es gibt auch Kritik an deiner Erfindung. Wundfäden sind normalerweise undurchlässig, du musstest aber Fäden aus einem Baumwoll-Polyester-Gemisch verwenden, um sie überhaupt einfärben zu können. Kritiker befürchten, dass damit auch Bakterien in die Wunde eindringen können.
Ich kann die genaue Zusammensetzung meiner Erfindung nicht verraten, aber wir desinfizieren das Material natürlich, und die Sicherheit ist meine oberste Priorität.
Was sind die nächsten Schritte, damit deine Erfindung in der Praxis eingesetzt werden kann?
Ich habe ein Patent angemeldet. Das vorläufige Patent habe ich schon. Bis zum Praxiseinsatz muss aber noch viel passieren. Der Faden muss zahlreiche Tests schaffen, die Gesundheitsbehörden müssen alles absegnen, und natürlich muss ich beweisen, dass es sich kommerziell lohnt.
Du hast damit gerade den Seaborg-Preis beim »Regeneron Science Talent Search 2021« gewonnen, dem ältesten US-Jugendforschungswettbewerb. Wie hat dir die Anerkennung geholfen und was machst du mit den 25.000 Dollar Preisgeld?
Ich habe sogar noch 10.000 Dollar von Ellen DeGeneres bekommen, als ich in ihrer Show zu Gast war. Das Geld brauche ich für die Patentanwälte. Was übrigbleibt, kommt in meinen College-Funds, denn ich stecke gerade mitten in meinem Schulabschluss. Im Herbst gehe ich auf die University of Iowa.
Und studierst dann endlich Medizin?
[Lacht.] Nein, Politikwissenschaften. Ich habe letztes Jahr einen Biologiekurs auf Universitätsniveau belegt und sofort gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich war unglaublich schlecht. Aber ich bin schon lange sehr aktiv bei Anti-Rassismus-Projekten, sitze in verschiedenen Kommittees und habe schon mit 15 eine Rede vor Harvard-Absolventen gehalten. Ich will mich für Rassengleichheit einsetzen. Aber ich werde nicht aufgeben, bis diese Wundfäden es zu den Leuten schaffen, die sie tatsächlich brauchen.