Irgendwann ist es immer so weit: Einer der Chefstrategen stellt die Frauenfrage. Das Potenzial ist da, sagt die Marktforschung, lauter gut ausgebildete Frauen, die unfassbar viel Geld für Milchkaffee mit Karamellsirup, Handtaschen und Lippenstifte ausgeben. 109 Stunden verbringen die jährlich allein in Umkleidekabinen. Mal ehrlich, da geht doch was. Und dann wird einer von den jungen Kreativen im Design-Department gebrieft: Machen Sie mal einen Rasierer für Frauen. Was Hübsches, Sie verstehen schon.
Ein Jahr später ist die Ware am Markt. Und so, wie sich mysteriöserweise alle Modemacher immer gleichzeitig dieselben Trendfarben und Rocklängen ausdenken, sehen auch für Frauen ent-worfene Produkte aus, als kämen sie alle aus derselben Familie: winzig, putzig, pink. Lauter Ding gewordene Diminutive mit
Strassausschlag. Rasierer für die Beine und für zwischen den Beinen heißen »Intuition« oder »Venus« und kommen in Eiscremefarben daher, mit denen man kein Kinderzimmer streichen würde. Ein Navigationsgerät für Frauen nennt sich »Pink Nüvi« und sieht auch genauso aus. Und eine Firma namens Freudenhaus hat sich sogar einen Lady-Werkzeugkoffer einfallen lassen: mit pinkfarbenem Hammer und pinkfarbener Zange. Bald wird es vermutlich auch pinkfarbene Nägel geben, an denen die Girls ihre Brad-Pitt-Bilder aufhängen sollen.
Es ist zum Verzweifeln: Sobald Produktdesigner sich einbilden, für Frauen zu gestalten, fällt ihnen voll-automatisch nur Paris Hilton ein. Ziemlich doof, ziemlich laut, ziemlich kindisch. Wer kauft solche Sachen? Man möchte glauben: niemand, der sich selbst die Schuhe zubinden kann. Aber wieso gibt es dann so viele Produkte, die aussehen, als wollten sie ein Accessoire werden – statt Produkt zu bleiben? Verdacht: Beim Gestalten denken die in der Mehrzahl männlichen Designer lieber an geglosste Glamour-Girls als an die sachliche Kollegin aus dem Rechnungswesen oder die patente, aber immer ungeheuer anspruchsvolle Ehefrau. Uta Brandes, Professorin für Gender und Design an der Köln International School of Design, sagt: »Männer sind oft nicht gerade entzückt darüber, wenn Frauen Karriere machen und entsprechend selbstbewusst sind. Sie hätten dann doch lieber die Pantoffel-Tierchen, die zerbrechlich und hübsch zu Hause auf sie warten. Dieses Wunschbild findet sich in ihrem Design wieder.«
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Dabei belegen inzwischen genügend Studien, dass die Formel »Shrink it and pink it« nicht ausreicht. Und die Marktforscher wissen längst, dass zur Zielgruppe Frau auch Managerinnen gehören, die im Vorstandsmeeting sicher nicht ein Barbie-Laptop aufklappen wollen. Was Frauen stattdessen eigentlich wollen, ist so eindeutig nicht zu sagen: »Das Problem ist die Komplexität«, meint Diana Jaffé, Gründerin der Berliner Agentur Bluestone, die sich auf Gender Marketing spezialisiert hat, »es gibt keinen einfachen Kriterienkatalog für Frauen.« Sie wollen subtil angesprochen werden, aber auch ernst genommen. Als stark wahrgenommen werden, jedoch auch Hilfe an-
geboten bekommen. Und zwar, ohne sich dabei belehrt zu fühlen. Von derartigen Ansprüchen kann man sich als Produktdesigner nur heillos überfordert fühlen.
Wo also anfangen? Zur Abwechslung vielleicht mit einem schwarzen Rasierer, ohne jeden Schnickschnack, ein Rasierer, der einfach nur das tut, was er soll: Haare entfernen. »Produkte, die Frauen nutzen, funktionieren immer«, sagt Diana Jaffé. »Aus diesem Grund war auch das Motorazr ein so großer Erfolg bei Frauen. Die großen Tasten des Handys waren praktisch für ihre längeren Fingernägel, das Design gut und innovativ. Eindeutig kein typisches Frauenprodukt, nicht einmal für Frauen gemeint, aber es hat funktioniert.« Es dauerte lang, bis Motorola nachlegte. Mit der »Hot Pink«-Variante des Motorazr. Auch erhältlich in der »Cat Deluxe Edition« mit pinkfarbenem Handytäschchen, Parfüm-Pröbchen und Naomi-Campbell-Klingeltönchen.
Foto und Styling: André Mühling