Anja Tanas ist Oecotrophologin und Autorin des 2019 erschienen Buches »Alles über Salz«:
»Bei Fleur de Sel handelt es sich um Meersalz, das als sogenannte Salzblume oben auf den Meerwassergärten schwimmt und mithilfe eines Abschöpfrechens geerntet und anschließend getrocknet wird. Grobes Meersalz wird dagegen vom Boden abgetragen, nachdem Sonne und Wind die Salinen ausgetrocknet haben. Speisesalz, egal, ob Siede-, Stein- oder Meersalz, muss zu mindestens 97 Prozent aus Natriumchlorid bestehen. Das wird durch den seit 1961 weltweit geltenden Codex Alimentarius für Standards von Lebensmitteln der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegeben.
In dieser Hinsicht sind alle Speisesalze qualitativ gleichwertig. Bei dem günstigen Siedesalz aus der Pappschachtel handelt es sich allerdings um ein industriell verarbeitetes, bei handwerklich erzeugtem Fleur de Sel um ein weitestgehend unbehandeltes Produkt. Das Siedesalz wird gewonnen, indem Löcher in die unterirdischen Salzvorkommen gebohrt und anschließend mithilfe großer Wassermengen gelöst werden. So entsteht die Sole, die hochgepumpt, industriell verdampft und einem teilweise chemischen Reinigungsprozess unterzogen wird. Außerdem werden dem herkömmlichen Tafelsalz oft sogenannte Rieselhilfen, also Trennmittel hinzugefügt, damit das Salz nicht verklumpt.
Fleur de Sel verfügt anders als das herkömmliche Speisesalz, das einem homogenen Pulver gleicht, über eine gröbere, kristalline Struktur. Aufgrund der unterschiedlichen Konsistenzen der Salze – knusprige Flocken, edle Kristalle, grobe Steine oder feines Pulver – haben wir oft das Gefühl, dass diese unterschiedlich schmecken. Eigentlich aber lösen sich die Ionen im Salz je nach Konsistenz unterschiedlich schnell im Speichel, weshalb die Rezeptoren auf der Zunge dessen salzigen Geschmack mal als sehr direkt und intensiv, mal ganz sanft erst nach und nach wahrnehmen. Da das Fleur de Sel weniger rein ist, können sich darin auch mal andere Stoffe wie Rückstände von Algen oder Meerwasser befinden, die den Geschmack beeinflussen.
Fleur de Sel eignet sich aufgrund seiner Struktur besonders als Topping oder »Finishing Salt« von Fleischgerichten, Gemüse, Brotsnacks oder auf Desserts wie Karamell. Für Kochwasser, Eintöpfe und Gerichte mit reichlich Sauce ist Fleur de Sel aber viel zu schade, da man keinen geschmacklichen Unterschied zu dem günstigen Speisesalz bemerkt. Ich habe deshalb immer Fleur de Sel und normales Speisesalz aus Deutschland im Küchenschrank. Um den ökologischen Fußabdruck gering zu halten, empfehle ich kein Salz aus weit entfernten Ländern zu kaufen. Solche Gourmetprodukte aus aller Welt sind sicherlich für viele Menschen interessant, aber Salz ist schwer und ein langer Transport weder nachhaltig noch wirklich sinnvoll. Denn Deutschland ist ein Salzland, in dem sich im Handel problemlos handwerklich erzeugtes, regionales Salz aller Art finden lässt.«