Du stehst nicht auf der Gästeliste

Darf man zu seinem 50. Geburtstag einfach mal nur Menschen einladen, auf die man wirklich Lust hat – und Verwandte und »Pflichtgäste« außen vor lassen?  

Illustration: Serge Bloch

»Im Jahr 2023 steht mein 50. Geburtstag an. Dieser Tag soll ein rauschendes Fest werden – in der Hoffnung, dass die Corona-Pandemie dann der Vergangen­heit angehört! Ich habe noch nie groß gefeiert und freue mich schon auf ein ausgelassenes Zusammensein mit den liebsten und wichtigsten Menschen meines ­Lebens. Mein Problem: Ich möchte nur die einladen, die mir wirklich lieb und teuer sind. Keine ›Pflicht­gäste‹, die zur Familie gehören oder die ich nur einladen würde, um mich für vorausgegangene Einladungen ihrerseits zu revanchieren. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben?« Julia Z., per Mail

Nein, nein, nein, nein und nein! Das ist Ihr Leben, Ihre Party, und Sie sind weiß Gott alt genug, Ihre Gästeauswahl selbstbewusst zu vertreten. Zuallererst vor sich selbst. Wenn man nämlich immer so denkt wie Sie gerade unterschwellig, führt das dazu, dass man nie Einladungen gibt. Da sitzt man dann mit Zettel und Stift am Tisch über der Gästeliste, hat gerade den verrückten Entschluss gefasst, ein Essen zu geben, und richtig gute Laune bei dieser Vorstellung bekommen. Man sieht sich in Gedanken schon mit geröteten Wangen am Herd, die ganze Wohnung duftet nach Braten oder etwas Fleischlosem aus ­einem Ottolenghi-Rezept, für das Sie einige Zutaten erst googeln, dann umständlich besorgen mussten, aber Sie haben es geschafft, es ist Ihnen sogar erstmalig gelungen, Granatapfelkerne von den Frucht­häuten zu lösen, ohne die Küchenwände komplett rot vollzuspritzen, gleich werden die ersten Gäste klingeln, und dann werden Sie die Flasche Champagner öffnen, die Sie, ah, gut, dass es Ihnen einfällt, schnell aus dem Eisfach nehmen müssen …

Das Stichwort »müssen« bringt Sie zurück in die Realität: Es ist nun eine Auswahl der Gäste zu treffen. Es führt kein Weg daran vorbei. Sie haben nur einen Tisch und soundso viele Stühle, wenn es also ein gesetztes Essen sein soll, können Sie die meisten Menschen, die Sie kennen, nicht einladen. Die Lösung könnte sein, einfach öfter Einladungen zu geben. Mit wechselnden ­Gästen. Was das mit Ihrer Party zum ­­50. Geburtstag zu tun hat? Alles! Sie sind nicht dafür 50 Jahre auf der Welt gewesen, dass Ihnen die sterbenslangweilige Frau Ihres Cousins auf Ihrer eigenen Geburtstagsparty schlechte Laune macht. Sie sollen es nett haben. Dass Uneingeladene beleidigt sein werden, verbuchen Sie als Kompliment. Einen höflichen Geburtstag mit Rücksicht auf alle können Sie dann ja mit 100 feiern.