»In unserer Fußgängerzone finden regelmäßig Spendensammelaktionen statt. Die meist jungen Spendensammler werden von Fundraising-Agenturen bezahlt. Sie tragen Kleidung mit dem Logo der Hilfsorganisation, in deren Auftrag die Agentur Geld einwirbt. Mir ist aufgefallen, dass sich besonders häufig ältere Damen, die vermutlich von einer kleinen Rente leben, zu Spenden überreden lassen. Nach meiner Beobachtung wollen sie auch den vermeintlichen Idealismus dieser jungen Leute belohnen. Dabei werden sie darüber im Unklaren gelassen, dass sie es mit jobbenden Studenten zu tun haben und ein Teil des gespendeten Geldes als Provision an die Agentur fließt. Ich spüre manchmal den Impuls, einzuschreiten und über dieses Geschäftsmodell aufzuklären. Andererseits frage ich mich: Wem wäre damit am Ende geholfen?« Christian H., Hamburg
Wie seriös diese Spendensammler jeweils sind, lässt sich von hier aus nicht prüfen. Bestimmt sind auch mal welche dabei, bei denen nur ein minimaler Prozentsatz in die Agentur fließt und das große Ziel, nämlich zu helfen, im Vordergrund steht. Aber Ihre Frage geht ja in eine andere Richtung. Nämlich, ob Sie zur Tat schreiten sollen, die vermeintlich nichtsahnenden älteren Damen aufklären und von einer möglichen Spende abbringen. Nehmen wir einmal an, Ihre Annahme stimmt, und diese Damen (man stellt sie sich sofort so entzückend vor, wie sie sich da gutmütig von selbstsicher auftretenden jungen Leuten in irgendetwas reinquatschen lassen) gehen wirklich von falschen Voraussetzungen aus: Bringen Sie sie dann aber nicht um das schöne Gefühl, etwas Gutes getan zu haben? Und wir müssen bedenken, dass auch Sie für diese Damen ein Fremder sind. Warum sollten sie Ihnen mehr vertrauen als diesen freundlichen jungen Leuten? Ich stelle mir vor, dass sich das Leben im Alter immer beunruhigender anfühlen kann. Überall lauern angeblich Gefahren. Könnte sich jemand ein Erbe erschleichen wollen, es auf den guten Schmuck abgesehen haben, und man weiß ja aus Aktenzeichen XY, dass nicht jeder, der klingelt, mit guten Absichten kommt. Und dann spricht einen in der Fußgängerzone auch noch ein Unbekannter an, nämlich Sie, und möchte einen vor den hilfsbereiten jungen Leuten warnen, mit denen man gerade so nett beisammensteht? Was denn noch alles? Soll man womöglich am besten gar nicht mehr aus dem Haus? Nein, je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer möchte ich Ihnen dazu raten, nichts zu sagen. Es ist sehr süß von Ihnen, dass Sie die älteren Damen vor einem Irrtum bewahren wollen, aber ich fürchte, einfach so von der Seite ist das eine zu verwirrende Intervention.
