Name: Luigi Avantaggiato
Geburtsjahr: 1984
Wohnort: Rom
Ausbildung: Promotion in Visuellen Studien
Website: https://www.luigiavantaggiato.photography/
Das »Columbus-Covid-2-Krankenhaus« in Rom wurde am 16. März 2020 nach wenigen Wochen Bauzeit in Betrieb genommen, darin werden ausschließlich Covid-19-Patienten behandelt. Das Krankenhaus verfügt über 74 Einzelbetten, die von 20 Ärzten, 65 Krankenpflegern und 22 Mitarbeitern des Sozialen Gesundheitsdienstes versorgt werden. Zusätzlich gibt es 59 Betten auf der Intensivstation; dort arbeiten unter anderem noch einmal 180 Krankenpfleger.
SZ-Magazin: Wie sind Sie dazu gekommen, den Aufbau und die Arbeit im »Columbus-Covid-2-Krankenhaus« in Rom fotografisch zu begleiten?
Luigi Avantaggiato: Ganz einfach: Ich habe gefragt. Als der Notstand in Italien ausgerufen wurde, habe ich versucht, so schnell wie möglich herauszufinden, in welchem Krankenhaus so ein Projekt möglich wäre. Die Verantwortlichen des Krankenhauses musste ich nicht mal überzeugen, sie wussten, dass es für alle gut sein könnte, wenn ihre Arbeit professionell begleitet und mit Fotos und Videos dokumentiert würde. Seitdem arbeite ich jeden Tag in der Klinik, ohne Pause.
Wie schützen Sie sich vor dem Virus?
Wie die Ärzte und Krankenpfleger auch. Ich trage einen Schutzanzug, zwei bis drei Paar Handschuhe und eine Schutzbrille. So bin ich vor einer Ansteckung weitgehend sicher, aber es ist nicht immer ganz leicht, in dieser Montur gute Aufnahmen zu machen, da die Sicht und Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt sind.
Bei früheren Projekten haben Sie Geflüchtete porträtiert und Kriegsschauplätzen besucht. Hilft Ihnen diese Erfahrung jetzt?
Auf jeden Fall. Ich habe bislang fast immer in Not- oder Ausnahmesituationen gearbeitet. In syrischen Flüchtlingscamps im Libanon und in Afghanistan etwa, und 2017 in Griechenland, als es dort schon zu Migrationsproblemen mit der Türkei kam. Diese Erlebnisse sind mit ein Grund, dass ich jetzt in einer Corona-Klinik arbeite – und sie machen es mir leichter, die aktuelle Situation zu verstehen und mit ihr klarzukommen.
Mehrere Staatsoberhäupter, darunter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, haben die Coronakrise als Krieg bezeichnet. Sie haben in Kriegsgebieten gearbeitet – würden Sie ihnen zustimmen?
Nein, zum Glück befinden wir uns nicht in einem Krieg, zum Glück müssen wir uns nicht vor Kugeln oder Bomben schützen. Wir können Lebensmittel kaufen und mit dem Hund spazieren gehen, das ist ein großer, großer Unterschied zu echtem Krieg. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, mich in einem Kriegszustand zu befinden, was vor allem daran liegt, dass es jeden Tag mehr Todesopfer gibt. Hinzu kommt die Art, wie sich Menschen an entscheidenden Stellen wie im Krankenhaus gerade organisieren und verhalten: präzise, effektiv und über die Grenzen der Erschöpfung hinaus. Das hat etwas sehr Militärisches.
Macht Ihnen die Arbeit im Krankenhaus Hoffnung oder Angst?
Beides. Es ist gruselig, weil ich manchmal nur 30 Zentimeter von einem Patienten entfernt bin, der mich mit seinem Atem anstecken könnte. Weil es nur einen kurzen Moment der Ablenkung braucht, einen kleinen Fehler wegen Übermüdung, und ich wäre infiziert. Und ich weiß nun sehr genau, was das bedeuten kann. Ich sehe es jeden Tag. Gleichzeitig erlebe ich auch jeden Tag hoffnungsvolle Momente, etwa wenn Patienten auf eigenen Füßen die Intensivstation verlassen. Dann weiß ich: Man kann diesen Kampf gewinnen.
Woraus ziehen Sie die Kraft, jeden Tag wieder in die Klinik zu gehen und weiter zu fotografieren?
Nach über einem Monat sehe ich, dass die Schwerstarbeit sich lohnt: Sie ist ein Zeitzeugnis unglaublicher, unermüdlicher Menschen gegen das Coronavirus. Das motiviert mich, auch weiterzumachen, bis das durchgestanden ist. Gemeinsam mit der Klinik und dem italienischen Adnkronos-Verlag arbeite ich außerdem an einem Buch, das diese Ausnahmezeit in Bildern festhalten soll. Das ist Ehre und Ansporn zugleich.