Name: Mark Griffiths
Alter: 34
Ausbildung: University of Wales / Trinity St. David, BA (Hons) Photojournalism
Wohnort: Port Talbot, South Wales
Website: www.markgriffithsphotography.com
SZ-Magazin: Können Sie mir Ihr Projekt in ein paar Worten beschreiben?
Mark Griffith: Jedes Jahr bringt die britische Organisation »Chernobyl Children’s Life Line« (CCLL) einige weißrussische Kinder nach Wales. Die Kinder stammen aus Gegenden, die besonders stark vom Reaktorunfall in Tschernobyl betroffen waren. Die Luft in ihrer Heimat ist stark verunreinigt. Das Essen, das sie täglich auf den Tisch bekommen, kann auf lange Sicht sogar ihr Leben gefährden. Die Organisation sorgt dafür, dass die Kinder einen Monat lang in einer guten, gesunden Umwelt verbringen können. Ich habe die Kinder während ihrer Reise begleitet.
Welche Auswirkungen hat die Reise auf die Gesundheit der Kinder?
Wissenschaftler haben bewiesen, dass ein solcher Aufenthalt höchst Auswirkungen hat. Tests ergaben, dass sich die Strahlungswerte im Körper der Kinder nach einer solche Reise um bis zu 68% vermindern. Obwohl sie später wieder zu ihrem gewöhnlichen Leben zurückkehren, kann die Reise das Leben der Kinder um zwei Jahre verlängern. Außerdem hat das Projekt einen wichtigen psychologischen Wert. Die Kinder kehren mit der Gewissheit zurück, dass man sie außerhalb ihres Landes noch nicht vergessen hat.
Woher kam die Idee zu diesem Fotoprojekt?
Ich arbeite für eine kleine, lokale Zeitung und habe für eine Spendensammlung Fotos von der Sprecherin von CCLL gemacht. Damals hat sie mir das erste Mal von dem Projekt erzählt. Zufällig haben sie nach einem Fotografen gesucht. Das Thema hat mich so sehr interessiert, dass ich sofort zugesagt habe.
Wie haben die Kinder ihre Zeit in Wales verbracht?
Der Großteil der Freizeitgestaltung wurde von der Organisation geplant. Wir waren gemeinsam Gokart fahren und haben einen Zoo besucht. Die Kinder haben dort Tiere gesehen, die sie zuvor nur aus Büchern kannten. Einerseits sollten die Kinder während ihres Aufenthalts Spaß haben, andererseits sollten sie aus den Erfahrungen lernen. Sie sollten etwas für ihr späteres Leben mitnehmen. Die Kinder haben auch viel Zeit damit verbracht, einfach nur die Landschaft zu bestaunen und über den Strand oder durch die Wälder zu wandern.
Wie war Ihr Beziehung zu den Kindern?
Anfangs war es natürlich schwer. Sie kamen mit einem Übersetzer, denn selber konnten sie nur ganz wenig Englisch. Gerade noch mit Hand und Fuß konnten wir uns irgendwie verständigen. Im Laufe der Wochen haben wir uns aber immer besser kennengelernt. Wir haben viel gemeinsam gespielt, am Ende ihrer Reise haben sie mir sogar Bilder gemalt. Die Kinder waren sehr liebevoll und warmherzig.
Wussten die Kinder, warum sie in Wales sind?
In ihrer Heimat versucht man, ihnen möglichst wenig über ihren Gesundheitszustand zu erzählen – niemand will ihnen Angst machen. Ich glaube, sie wissen, was in Tschernobyl passiert ist und möglicherweise auch, dass das Auswirkungen auf ihr Leben hat. Die Reise wurde aber von ihrer Schule organisiert. Dort hat man ihnen gesagt, dass das eine gewöhnliche Schulexkursion ist. Sie wussten sicher nicht, was der genaue Grund der Reise war und welche gesundheitlichen Vorteile sie daraus ziehen.
Wie haben sich die Kinder vor der Kamera verhalten?
Anfangs haben sie sich unwohl gefühlt. Sie haben andauernd den Übersetzer gefragt, warum ich Fotos von ihnen mache. Meine Anwesenheit hat sie nervös gemacht. Aber je länger ich sie begleitet habe, desto wohler fühlten sie sich. Ich habe ihnen erklärt, dass ich Urlaubsbilder für ihre Schule mache. Danach waren sie deutlich entspannter und zugänglicher.
Sind die Auswirkung der Radioaktivität in irgendeiner Art und Weise bemerkbar oder gar sichtbar? Wie verhielten sie sich im Vergleich zu einheimischen Kindern?
Die Kinder werden mit einem gewissen Grad an Radioaktivität im Blut geboren. Sichtbar ist das eigentlich nicht. Allerdings sind einige Kinder sehr dünn und haben ein sehr blasses Gesicht. Es kann schon sein, dass das mit der verseuchten Nahrung zusammenhängt. Wenn man viel Zeit mit ihnen verbringt, erkennt man auch andere Unterschiede. Sie hatten stets mit kleineren Krankheiten zu kämpfen. Sie sahen auch viel erschöpfter aus als Kinder aus Wales. Im Laufe ihres Aufenthalts hat sich ihr Aussehen aber deutlich gebessert. Sie haben viel und gut gegessen, viel Zeit in der Natur und in der Sonne verbracht.
Sie haben die Fotos am Anfang des Sommers gemacht. Wie denken Sie – drei Monate später – über das Projekt? Was bedeutet es Ihnen?
In erster Linie ist mir wichtig, dass die Organisation von meiner Arbeit profitieren kann. Ich hoffe, dass CCLL in den kommenden Jahren immer mehr Kindern ein solches Erlebnis ermöglichen kann. Dieses Jahr waren es leider nur acht, vielleicht sind es im kommenden Jahr aber schon 20 oder 30 Kinder.
Haben Sie ein Lieblingsbild?
Das erste und das letzte Bild in der Galerie beschreiben mein Projekt perfekt. Beide Bilder stammen von dem Tag, an dem die Kinder das erste Mal das Meer gesehen haben. Die zwei Kinder auf dem letzten Bild halten das erste Mal in ihrem Leben Seegras in ihren Händen. Blickt man in ihre Gesichter, sieht man die Fassungslosigkeit und Überraschung, die sie in diesem Moment fühlen mussten. Ich bin an der Küste aufgewachsen und kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, wenn man nie zuvor den Ozean gesehen hat. Das muss ganz unwirklich sein, fast wie in einem Traum. In diesen Momenten dabei zu sein, war wunderbar und unvergesslich.
Fotos: Mark Griffiths