Fabelhafte Recycling-Suppe

Fast jedes Stückchen Gemüse, das beim Schnippeln übrig bleibt, eignet sich für eine Gemüsebrühe, findet Hans Gerlach. Aus seinen Resten bereitet er deshalb eine kräftige Brühe, lässt Flädle darin baden und krönt sie mit Parmesan. So kann man gleichzeitig genießen und etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun.

In seine Gemüsebrühe legt Hans Gerlach selbstgemachte Flädle, darüber reibt er Parmesan. 

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

»Da ist jede Menge Material drin«, lobte der Küchenchef eines Dreisterne-Restaurants die Brühe seines Chef de partie – so heißen die Abteilungsleiter in größeren Küchen. In der kleinen Bemerkung steckt die oft verschwenderische Haltung vieler Fine-Dining-Köche zu ihren Zutaten – denn sehr viel »Material« wird ausgekocht und dann in der Regel weggeworfen. Gleichzeitig ist es aber auch die Erklärung für lasche Brühen in weniger opulent ausgestatteten Restaurants. Lasche Brühen, die dann mit gekörnter Brühe aufgepeppt oder gleich ganz durch Chemie ersetzt werden. Auch Formulierungen wie »3 EL Gemüsebrühe zugeben« sind in vielen Kochrezepten nur ein versteckter Ruf nach dem Suppenwürfel. Daran musste ich denken, als ich vor kurzem einen Freund gebeten hatte, mir Gemüse für drei Liter Brühe mitzubringen und dann vor einem jämmerlichen Bündel Suppengrün stand. Das konnte nichts werden. Dabei gibt es nichts, was in der Küche mehr hilft, als eine kräftige Brühe, frisch oder im Tiefkühlfach. Und damit die wirklich gut wird, braucht es eben jede Menge Material.

Zum Glück fällt dieses Material auch von selber an, fast jedes Stückchen Gemüse, das Sie in der Küche irgendwo abschälen oder was beim Schnippeln übrig bleibt, eignet sich für eine Gemüsebrühe (in moderateren Mengen auch für Fleischbrühen). Karotte, Lauch, Sellerie passen immer, aber auch unerwartete Gemüsereste können der Brühe helfen. In Kartoffelschalen zum Beispiel steckt viel Geschmack und zusätzlich bindet Stärke aus den Schalen die Brühe auch ein wenig. Der trockene Teil der Zwiebelschale gibt mehr Farbe als Geschmack, die darunter liegende erste Zwiebelschicht hängt aber meist mit dran und sorgt dann für den süßlich-runden Zwiebelkick. Artischockenblätter, Spargelschalen oder auch Erbsenschoten (zum Beispiel vom Spizzulus-Rezept) ergeben sogar ganz ohne andere Zutaten hervorragende Single-Ingredient-Brühen und auch in einem Mix machen sie sich bestens (vietnamesische Köchinnen  und Köche arbeiten viel mit dem Kochwasser von einzelnen Gemüsesorten und nennen sie »Canh«). Kohl wird leicht zu dominant, deshalb achte ich darauf, dass der Kohlanteil klein bleibt. Gemüsestücke, die nicht schmecken, kommen auch nicht in die Brühe, grüne Teile von Karotten zum Beispiel, bittere Kohlstrünke, Artischockenstiele oder gammelige Stellen – die machen sich gut im Kompost, aber nicht im Essen. Bevor ein zweifelhaftes Stück Gemüse die schöne Brühe später verhunzt, lieber gleich weg damit. Beim virtuellen Flanieren stolperte ich neulich über eine schöne Anregung vom Mailänder Sternerestaurant Aimo e Nadia für eine cremige Gemüsesuppe mit Hülsenfrüchten – Grundlage ist natürlich eine erstklassige Gemüsebrühe, Küchenchef Alessandro Negrini verwendet dafür Reste, sogar die Abschnitte von grünen Bohnen. Auch eine gute Idee.

Weil nun nicht bei jedem Abendessen genug Gemüsereste anfallen, um damit gleich einen Topf Brühe aufzusetzen, habe ich eine Box im Tiefkühlfach mit etwa 2 l Fassungsvermögen. Darin sammele ich die Restchen. Sobald die Box voll ist oder wenn ich eine brauche, setze ich die Brühe an. Zum gesammelten Material gebe ich noch wenige Kräuter, Gewürze, Tomaten, wenn vorhanden, getrocknete Pilze. Daraus wird dann jedesmal eine erstklassige Gemüsebrühe. In der Spargelzeit schmeckt sie oft deutlich nach Spargel, im Januar und im September vielleicht nach Artischocken und manchmal einfach nach gemischtem Gemüse – die Unterschiede bringen aromatische Diversität in Suppen, Risotto oder Saucen. Und obwohl so richtig viel Material in die Brühe kommt, verschwende ich dafür keine einzige Karotte – dank der Sammelbox im Tiefkühlfach.

Die allerbeste Gemüsebrühe

Zubereitungszeit
20
Gesamtzeit
45
Schwierigkeit

Zutaten für ungefähr 1,2 l (4 Suppen-Portionen):

Für 4 Personen
  • 1 kg Gemüsereste (z. B.: Zwiebelschalen, Knoblauch- und Chilirestchen, Karotten und Sellerieschalen und -abschnitte, Staudensellerieblätter, Fenchelabschnitte, dunkle Teile von Lauch und Frühlingszwiebeln, Schalen und Endstücke von Spargel, Erbsenschoten, Abschnitte von grünen Bohnen, Artischockenblätter, Kräuter- und Pilzstiele, Samengewebe von Tomaten und Paprika, Kartoffelschalen, Kohlblätter, Kohlrabischalen, Ingwerschalen …) Zwiebel, Knoblauch, Chili, Karotte, Sellerie, Fenchel, Lauch, Spargel, Bohnen, Artischocke, Paprika, Kartoffel, Kohl, Kohlrabi, Ingwer
  • 2-3 Lorbeerblätter Lorbeer, Lorbeerblatt
  • ein paar Stängel mediterrane Kräuter wie Salbei, Rosmarin oder Thymian Salbei, Rosmarin, Thymian
  • 100 ml passierte Tomaten Tomate
  • 3 EL Sojasauce
  • 2 TL Pfefferkörner Pfeffer
  • 1 EL getrocknete Pilze Pilz
  • Salz

1. Alle Zutaten mit 1,5 l Wasser in einen Topf geben, dabei die Pfefferkörner vorher quetschen. Erstmal nur sehr sparsam salzen. Aufkochen lassen, dann 30-40 Minuten kochen. Durch ein Sieb abgießen, das Gemüse im Sieb mit einem Kochlöffel etwas ausdrücken – und dann guten Gewissens entsorgen. Die Brühe abschmecken und eventuell vorsichtig nachsalzen – damit sie später vielseitig verwendbar bleibt, insgesamt eher zart salzen. Abkühlen und entweder ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahren oder einfrieren.

Supereinfache Anwendung: Gemüsebrühe mit Kräuterflädle

Zubereitungszeit
55
Gesamtzeit
70
Schwierigkeit

Zutaten:

Für 4 Personen
  • 80 g Mehl
  • 175 ml Milch
  • 2 Eier (M) Ei
  • etwa 50 g Butter
  • 1 Bund gemischte Kräuter (oder 1 Bund Petersilie, Kerbel oder Dill für 4 Pers.) Petersilie, Kerbel, Dill
  • Salz, Muskat
  • 1 Frühlingszwiebel
  • 1,2 l Gemüsebrühe
  • 30 g geriebener Hartkäse Hartkäse, Käse

1. Mehl, Milch und Eier in einen hohen Messbecher oder Rührbecher geben, mit einem Pürierstab oder einem Schneebesen glatt mischen und mit Salz und Muskat würzen. Einen gehäuften Esslöffel Butter in einer kleinen Pfanne aufschäumen lassen und bräunen, bis die Butter nussig duftet. Die Butter ebenfalls in den Teig mixen, den Teig mindestens 15 Minuten ruhen lassen. Kräuter waschen und trockenschütteln, die Blättchen zupfen und hacken. Die Kräuter unter den Teig rühren (und die Stiele für die nächste Brühe verwenden ...).

2. Eine beschichte Pfanne erhitzen, einen Teelöffel Butter in der Pfanne aufschäumen lassen. Einen kleinen Schöpflöffel Teig in die Pfanne geben (für eine Pfanne mit ca. 20 cm Boden-Durchmesser eignet sich ein Schöpflöffel mit etwa 50-60 ml Inhalt) Den Teig in einer kreisenden Bewegung zu den Rändern der Pfanne laufen lassen, so dass ein dünner Pfannkuchen entsteht. 2 Minuten backen, bis die Oberfläche des Pfannkuchens nicht mehr feucht glänzt. Mit einem beherzten Schwung - oder mit einem Pfannenwender - den Pfannkuchen wenden. 1-2 Minuten hellgolden fertig backen, aus der Pfanne auf einen Teller gleiten lassen. Wiederholen, bis der Teig verbraucht ist, für die folgenden Pfannkuchen reicht jeweils ein halber Teelöffel Butter. Die Pfannkuchen eng einrollen und Streifen schneiden.

3. Die Brühe erhitzen. Frühlingszwiebel putzen und in Ringe schneiden, mit den Flädle in Suppenteller verteilen und mit der heißen Brühe begießen. Etwas Käse über die Suppe reiben.