Der Sud macht’s

Aufregender als Weißwein oder Tomatensauce: Hans Gerlach gart seine Miesmuscheln in einer Brühe mit viel Knoblauch, Ingwer und Chili-Crunch – und verrät, wie man sie am Ende möglichst elegant aus der Schale löst.

Muscheln, die einen direkt in den Urlaub katapultieren: mit Ingwer, Mirin und Chili-Crunch.

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

Ähnlich wie für Pommes jahrzehntelang die Wahl der Saucen auf Mayo oder Ketchup beschränkt war, schwammen Miesmuscheln meist in Weißwein oder in Tomatensauce. Dabei lassen sich die nussig-aromatischen Schalentiere super vielfältig zubereiten. Das beginnt mit gedämpften Muscheln plus purem Muschelfond – die einfachste und für mich eine der besten Zubereitungsmethoden. Für Vongole habe ich sie hier beschrieben, schmeckt aber genauso gut mit Miesmuscheln. Sie haben genug Geschmack, um auch mit kräftigen Gewürzen zu harmonieren: Raz el Hanout, Peperoncini oder Koriander passen – sensibel dosiert – alle gut dazu. Gerade bin ich sehr fasziniert von einem Muschelsud mit Mirin und viel Ingwer. Damit der gut gelingt, koche ich den Sud in einem zweiten Topf ein. So konzentriere ich das Aroma und die Muscheln werden trotzdem nicht zu lange gegart. Am einfachsten lassen sich die Muscheln übrigens aus den Schalen lösen, indem man mit einer leeren Muschelschale das Fleisch aus den Schalen löffelt oder indem man eine doppelte zusammenhängende Muschelschale wie eine Pinzette benutzt, um das Muschelfleisch aus den Schalen zu greifen.

Nachhaltiger Miesmuschel-Einkauf

Wildmuscheln sollte man gar nicht kaufen, denn die Fangmethoden sind zerstörerisch – es sei denn die Wildmuscheln werden von Tauchern einzeln mit der Hand geerntet. Das gibt es zum Beispiel manchmal bei Jakobsmuscheln. Kostet aber, ist ja klar. Gezüchtete Miesmuscheln sind aber eine feine Sache, denn die Zucht kann umweltfreundlich sein, die gezüchteten Schalentiere schmecken sehr gut und während der zwei oder drei Jahre, die sie im Meer verbringen, filtern sie Nährstoffe aus dem Wasser und tragen damit sogar zu einer besseren Wasserqualität bei. Dummerweise gibt es zwei Methoden: In der Nordsee werden die wilden Saatmuscheln oder Jungmuscheln teilweise mit sogenannten Muschel-Dredges gesammelt, das ist eine Art besonders brachialer Muschelpflug. Diese kommen dann auf Zuchtflächen in flachen Bereichen der Nordsee und werden später wieder mit Dredges geerntet. Dadurch wurde der Großteil unserer wilden Muschelbänke zerstört – auch im Nationalpark Wattenmeer. Seit 2015 gibt es den »Miesmuschel-Kompromiss« der diese Praktiken zumindest begrenzt und Saatmuschel-Aggregatoren mit schwimmenden Netzen fördert. Aber auch die werden später mit Dreges geerntet und die Schutzstation Wattenmeer bittet nach wie vor: »Essen Sie nicht allzu oft Muscheln und unterstützen Sie die Naturschutzverbände im politischen Bemühen um eine naturverträglichere Muschelnutzung.« Das gilt für Muscheln aus der Nordsee, in Südeuropa werden Miesmuscheln dagegen traditionell an Seilen oder Pfählen kultiviert, das ist die umweltfreundliche Methode. Auch in der Ostsee bei Kiel gibt es immerhin ein kleines Projekt In Frankreich heißen diese Pfähle Bouchot und die Muscheln deshalb Bouchot-Muscheln. Es sind aber Miesmuscheln und es gibt sie auch in Deutschland, bei vielen guten Fischhändlern oder online zum Beispiel hier

Miesmuscheln mit Mirin und Ingwer

Zubereitungszeit
45
Gesamtzeit
60
Schwierigkeit

Zutaten für 3-4 Personen:

Für 4 Personen
  • 1 kg Miesmuscheln (oft sind 1,4 kg im Päckchen – dann reicht es gut für 4 Personen, alle Mengen ein bisschen erhöhen, es kommt hier nicht aufs Gramm an) Miesmuscheln
  • 1 Bund Lauchzwiebeln Zwiebel
  • 25 g Ingwerwurzel Ingwer
  • 4 Zehen Knoblauch
  • 2 EL Butter
  • Salz, Pfeffer
  • 200 ml Mirin (ausführliche Mirin-Infos finden Sie hier), den hier kann ich zum Beispiel empfehlen Mirin
  • 3 EL Öl, z. B. 1 EL Sesamöl und 2 EL neutrales Öl Öl
  • 250 ml Brühe, z. B. Hühnerbrühe – oder eine gute Gemüsebrühe Brühe
  • 2 Lorbeerblätter Lorbeer, Lorbeerblatt
  • 4 EL Chili-Crunch (kaufen oder selber machen, siehe unten) Chili
  • Weißbrot, z. B. Baguette – oder etwas dekadent aber sehr, sehr gut: Kasten-Croissant Brot, Weißbrot, Baguette

Foto: Hans Gerlach

1. Miesmuscheln 10 Minuten mit kaltem Wasser wässern. Danach abtropfen lassen. Zerbrochene Muscheln aussortieren, offene Muscheln mit dem Finger anschnipsen, falls sich einzelne Muscheln nicht schließen, wegwerfen. Falls aus manchen Muscheln noch dünne Fäden – die sogenannten Bartfäden – heraushängen, die Fäden einfach herausreißen, das ist meistens aber nicht mehr nötig.

2. Wurzeln und welke Blätter von den Frühlingszwiebeln entfernen, die Zwiebeln in 5 mm breite Ringe schneiden, die schönsten Stängel in feinere Ringe schneiden und beiseite stellen. Ingwer und Knoblauch schälen und in dünne Scheiben schneiden. Frühlingszwiebeln, Ingwer und Knoblauch mit der Butter in einem Topf, in den später auch alle Muscheln hineinpassen, 2 bis 3 Minuten dünsten, dabei mit Salz und Pfeffer würzen. Mit Mirin ablöschen, aufkochen und vom Herd nehmen.

3. Olivenöl in einem zweiten großen Topf erhitzen. Muscheln 1 Minute bei größter Hitze anbraten – Vorsicht, wenn die nassen Muscheln ins heiße Öl kommen spritzt es, am besten sofort einen Deckel auflegen. Mit Brühe ablöschen, Lorbeerblätter zugeben. Zugedeckt je nach Größe 6-8 Minuten kochen lassen, bis sich die Muscheln geöffnet haben. Muschelfond auf das Gemüse abgießen.

4. Etwa 2 Minuten bei großer Hitze einkochen lassen. Noch einmal mit Salz und Pfeffer abschmecken, dann die Muscheln zugeben und noch einmal heiß werden lassen. Muscheln, die sich nicht geöffnet haben aussortieren und wegwerfen. Muscheln mit dem Fond in Schüsseln verteilen und mit Weißbrot servieren.

Chili-Crunch – es sollte immer ein Glas griffbereit sein!

Foto: Hans Gerlach

Zubereitungszeit
30
Gesamtzeit
60
Schwierigkeit

Zutaten für 1 Schraubglas mit ca. 400 ml Inhalt:

Für 4 Personen
  • 1 Noriblatt Algenblatt
  • 25 g getrocknete Chiliflocken z. B.: 5 g Chipotle, 10 g Ancho, 10 g Isot biber (eher milde Sorten nehmen aber nur Ancho wäre zu mild) Chili
  • 25 g geröstete, gesalzene Erdnüsse Erdnüsse
  • 25 g Pekannüsse
  • 20 g weißer Sesam Sesam
  • 1 TL (Muscovado-)Zucker Zucker
  • 1 gestrichener TL Salz
  • 1 TL sehr grob gemahlener schwarzer Pfeffer Pfeffer
  • 250 ml Rapsöl oder Erdnussöl (kann man sehr hoch erhitzen) Öl
  • 125 g Schalotten Zwiebel, Schalotte
  • 1/2 frische Knolle Knoblauch

Noriblatt mit einer Schere möglichst klein schneiden, dann noch etwas kleiner hacken oder grob mixen. Erdnüsse und Pekannüsse grob hacken, mit Chilis, Sesam, Algen, Zucker, Salz und Pfeffer in einer Metallschüssel mischen.

Schalotten und Knoblauch schälen, die Schalotten längs halbieren. Separat in dünne und vor allem gleichmäßige Scheiben schneiden – wer sich das mit einem Messer nicht zutraut, der kann sehr gut eine Gemüsemandoline verwenden. Zuerst die Schalotten mit dem kalten Öl in einen Topf geben, erhitzen und sobald das Öl sprudelt oft umrühren, bis die Schalotten golden und knusprig sind. Durch ein feines Sieb gießen, das Öl zurück in den Topf gießen.

Knoblauch im Schalottenöl sehr hell frittieren – beim Abkühlen sollen die Knoblauchchips knusprig werden, dafür müssen sie leicht braun sein, sie sollen aber auf keinen Fall dunkel und bitter werden, hellgolden reicht auf jeden Fall aus.

Abgießen, das Öl zurück auf den Herd setzen und auf 190 Grad erhitzen, das ist ziemlich heiß: ein Petersilienblatt wird im heißen Öl sofort knusprig. Vorsichtshalber etwas kaltes Öl bereitstellen. Das heiße Öl über die Chili-Nussmischung gießen, erst vorsichtig, dann immer selbstbewusster. Umrühren. Die Chilis und der Sesam sollen im heißen Öl leicht geröstet werden – der Duft soll intensiv sein aber nicht verbrannt sein, die Chilis sollen dunkelrot aber nicht schwarz werden – ist das Öl zu heiß einfach einen Schuss kalte Öl dazugießen um den Röstprozess abzubrechen. Abkühlen lassen, Knoblauch und Schalotten zugeben und in Gläser abfüllen. Hält ohne Kühlung.