Ein Rehrücken zum Entzücken

Der Nachhaltigkeit halber setzt Hans Gerlach auf Wildfleisch und serviert seinen Rehrücken in dünne Scheiben geschnitten als Tagliata. Nebenbei verrät er das Geheimnis einer prächtigen Sauce dazu.

Zu dieser Tagliata auf Spitzkohl passt ein Glas Rotwein sehr gut. 

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

An die erste Tagliata meines Lebens erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen, ich bestellte sie in einem italienischen Restaurant in München. Eigentlich ist eine Tagliata einfach ein Steak, das schon jemand fürsorglich in Scheiben geschnitten hat. Dazu kommen meist Tomatenwürfel und Rucolablättchen, wahrlich kein Hexenwerk, aber ich fand diese Tagliata wunderbar. Damals konnte ich mir ein gutes Steak sowieso nur selten leisten. Aber wahrscheinlich hatte der besondere Genuss vor allem damit zu tun, dass Steakscheiben besser schmecken, wenn die empfindlichen Fleisch-Zellen mit einem scharfen Kochmesser sauber durchschnitten und nicht mit einem vernachlässigten Steakmesser auf einem Porzellanteller zerquetscht werden. Meist stammt die Tagliata aus einem Stück Rind, aber das Prinzip eignet für viele Fleischsorten – ich empfehle eine Tagliata aus Reh- oder Hirschrücken.

Denn wer Fleisch oder Fisch essen will, muss sich immer mit den Folgen für unsere Umwelt auseinandersetzen. Viel spricht jedes Mal dafür, doch lieber darauf zu verzichten. Außer bei Wild aus dem Wald: solange unsere Wälder nicht überall von Wolfsrudeln, Bären, Luchsen besiedelt sind, müssen Rehe und Hirsche gejagt werden. Sonst gibt es keinen Wald, zu viel Wild zerstört alle jungen Bäume. Dieses Ungleichgewicht in unseren Wäldern kann sich nicht von alleine regeln. Also brate ich ab und zu mit gutem Gewissen ein saftiges Stück Reh mit einer prächtigen Sauce. Als Jäger noch keine Kühlschränke hatten, wurde Wild vorsichtshalber immer viel zu lange trocken gebraten. Heute ist das absolut nicht mehr nötig – insbesondere das Wild aus staatlicher Jagd, in Bayern zum Beispiel von den bayerischen Staatsforsten wird nach allen Regeln der Kunst gejagt, gekühlt und zerlegt.

Als Restaurant-Koch habe ich sehr gerne als Saucier gearbeitet, gute Saucen können jedes Essen verzaubern. Wenn Sie einen ganzen Rehrücken kaufen, ist das eine Gelegenheit aus den Knochen eine herausragende Jus kochen – einfach und unaufwändig (siehe Tipp). Die Rezeptmenge von 600 g Filet entsprechen etwa zwei Dritteln eines ganzen Rehrückens. Sie können daraus auch eine Tagliata für 6 Personen zubereiten oder das restliche Rückenfilet und die Filets einfrieren. Ein gut gelaunter Wildhändler zerlegt Ihnen den Rehrücken, dann können Sie sich die Knochen und Abschnitte einpacken lassen. Manchmal kann man nur die Filets kaufen, dann lohnt es sich, nach einem guten Wildfond im Feinkostladen zu suchen. Oder Sie nehmen einen ganzen Rehrücken am Knochen und filetieren ihn selber. Es gibt ja nur eine Schnittrichtung entlang der Rückenknochen, den Rehrücken zu zerlegen ist nicht besonders kompliziert. Hier eine ausführliche Anleitung – wenn ich die nächste Tagliata zubereite, filme ich auch einfach mal für meine Instastories mit, jeder Koch hat seine eigenen kleinen Tricks. Probieren Sie meine Reh-Tagliata!

Noch zwei Probier-doch-mal-Rezepte mit Reh und Hirsch:

Rehfilet auf Polenta mit Zitronen-Fenchel-Salsa

Hirschragout

Rehrücken-Tagliata mit Spitzkohl

Zubereitungszeit
1
Gesamtzeit
2
Schwierigkeit

Zutaten:

Für 4 Personen
  • 600 g Rehrückenfilet Reh
  • 4 EL Rapsöl Öl
  • 1 TL Wacholderbeeren
  • ½ TL Fenchelsamen
  • 3 Zweige Thymian
  • 2 Zehen Knoblauch
  • 3 Stängel Petersilie
  • ½ Bio-Zitrone Zitrone
  • Salz, Pfeffer
  • 1 EL Butter
  • 100 ml Rehjus/Rehfonds selbst gemacht (siehe unten) oder gut gekauft Wildfond
  • Außerdem
  • 200 g Spitzkohl
  • 50 g Rucola
  • 50 g Kimchi (gekauft oder selbst gemacht), optional

1. Falls noch irgendwelche Sehnen am Rehrückenfilet sein sollten, die Sehnen abschneiden. Wahrscheinlich sind es schon 2 Stücke, sonst einmal durchschneiden. Mit einem Minispritzer Rapsöl in eine Schüssel geben, mischen zudecken und Raumtemperatur annehmen lassen. 

2. Wacholderbeeren und Fenchelsamen hacken. Die Blättchen von einem Thymianzweig abstreifen, eine Knoblauchzehe schälen und hauchdünn schneiden, beides mit den Petersilienblättchen ein paarmal durchhacken. Die Zitronenschale reiben, Zitronensaft auspressen. 

3. Spitzkohl fein schneiden, Rucola putzen waschen, schleudern, Kimchi in Streifen schneiden, mit 1 EL Zitronensaft und 2 EL Öl marinieren. 

4. Rehrückenfilets leicht salzen und mit 1 EL Rapsöl der zweiten, gequetschten, Knoblauchzehe und den Thymianzweigen in einer kleineren Pfanne bei mehr als mittlerer Hitze anbraten. Normalerweise sollte es etwa Stufe 7 sein, die Pfanne soll vorgeheizt sein – heiß aber nicht rauchend. Filets von der ersten Seite 3 Minuten braten, wenden und 2 Minuten braten. Dann mit den Gewürzen bestreuen, die Butter zugeben, in der Pfanne aufschäumen lassen und mit den Gewürzen immer wieder über das Fleisch löffeln – das dauert nicht lange, insgesamt noch zwei Minuten. Bei besonders dicken Filets vielleicht auch noch eine Minute länger. Reh auf einen warmen Teller legen, ruhen lassen. Währenddessen die Pfanne mit Rehfond ablöschen, kurz kochen lassen, dabei mit einem Holzlöffel o. Ä. den Bratensatz lösen, vom Herd nehmen. 

5. Rehrücken in dünne Scheiben schneiden, mit mariniertem Spitzkohl und Sauce anrichten.

Dazu passen zum Beispiel Ricottagnocchi aus dem Teig für unsere süßen Tascherl von vergangener Woche oder einfach Kartoffelpüree, Polenta und Weißbrot.

Rehjus/Rehfond selber kochen

Den Backofen auf 250 Grad vorheizen (Umluft 220 Grad). Dabei einen schweren Bräter auf der untersten Schiene im Ofen mit erhitzen. Knochen in den Bräter geben und etwa 25 Minuten rösten, ab und zu durchrühren. Die Knochen herausnehmen – sie sollen gut gebräunt sein aber nicht schwarz – und auf einem Backblech abkühlen lassen (Knochen eventuell über Nacht kalt stellen, dann wird die Sauce klarer). Ungefähr 2 kleine Zwiebeln, 6 Zehen Knoblauch, 75 g Möhre, 75 g Sellerie und 50 g Lauch putzen und in walnussgroße Stücke schneiden. Zwiebeln mit etwas Olivenöl in einem großen Topf goldbraun braten. Dann Knoblauch, Möhren, Sellerie und Lauch zugeben, 3 Minuten Farbe nehmen lassen. ½ TL Pfefferkörner und 2 TL Wacholderbeeren quetschen, mit 1 EL Tomatenmark, 1 Lorbeerblatt und 1 EL zerbröselten, getrockneten Steinpilzen unterrühren, kurz warten, dann 1 EL Quittengelee unterrühren. Nach und nach mit 200 ml Rotwein ablöschen, immer wieder vollständig einkochen. Die Knochen zum Gemüse in den Topf geben und mit kaltem Wasser knapp bedecken, ganz wenig salzen. Langsam aufkochen und insgesamt 4 Stunden bei kleinster Hitze kochen. Am Ende die Sauce durch ein feines Sieb in einen kleinen Topf füllen, vorsichtig salzen. Etwa um die Hälfte einkochen – bis die Sauce schön intensiv schmeckt. nochmal abschmecken. Beim Abkühlen geliert die Sauce und hält dann 2 Wochen im Kühlschrank oder eingefroren monatelang im Eiswürfelbehälter.