Wenn ich eine für mich neue gute Gastronomie finde, bin ich glücklich. Das kann eine Falafelbude am Straßenrand sein, kürzlich war es eines der besten Restaurants in Hamburg, das 100/200 am Brandshofer Deich. Die Lage in einem etwas ranzigen Gewerbegebiet mit Blick auf Wasser, Eisenbahnbrücken und Elbphilharmonie ist unprätentiös lässig. Die Küche steht zwischen den Tischen inmitten des großen Lofts, von allen Seiten kann man den Köchen gut zusehen – dabei bleibt das Geschehen in der Küche unaufdringlich. Wahrscheinlich weil die Köche dort konzentriert, leise und freundlich miteinander arbeiten. Thomas Imbusch führt das Restaurant mit seiner Frau Sophie Lehmann, als Serviceleiterin und Sommelière hat sie uns Weine ausgesucht, die das Essen so perfekt ergänzt haben, wie es auch in der Spitzengastronomie nur sehr selten vorkommt. Die beiden bilden Lehrlinge aus und in der offenen Küche sieht man diese Lehrlinge verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen. Das sollte normal sein, ist es aber nicht – Imbusch und Lehmann haben jedenfalls nicht die Personalprobleme, über die viele Gastronomen gerade klagen. Ach, das 100/200 hat übrigens am Wochenende geschlossen, ist familienfreundlicher für Mitarbeiter mit Kindern.
Auch mit einer mittelmäßigen Küche wäre das Restaurant also ein leuchtendes Vorbild für die Gastronomie, zusätzlich kocht Imbusch mit seinem Team aber auch noch extrem gut. Dabei reichen ihm manchmal scheinbar kleine Ideen für großartige Geschmackserlebnisse. Zum Beispiel verwandeln ein paar Mini-Baisers einen Wildkräutersalat in ein sehr erfrischendes Dessert. Erfreulich frische Champignons schneidet Imbusch im allerletzten Moment mikrometerdünn auf, für einen intensiven Duft, den ich so vorher noch nie in einem simplen Champignon gefunden hatte. Imbusch häuft die Pilze auf einen Käsetoast, das schmeckt wunderbar.
Ich habe eine Weile gespart, um ins 100/200 zu gehen, es ist nicht billig – aber das Preisleistungsverhältnis ist unschlagbar. Gastronomen wie Imbusch und Lehmann verzichten mit jedem Menü, das sie kochen, auf Gewinne, die sie mit weniger gutem Essen machen könnten, sie sponsern unseren Genuss. Ein Rezept zum Einstimmen hat Imbusch mir schon einmal geschickt, für eine luftig-cremige Ziegenquarkbutter mit aromatisierten Ölen als Dip für ein gutes Brot. Das macht Spaß beim Sonntagsfrühstück, passt aber auch zu einer schönen Einladung. Das Chili-»Öl« ist dabei in Wirklichkeit eine wässrige Lösung, so mischen sich die »Öle« nicht einfach alle miteinander. Der Trick ist geschmacklich sinnvoll und gibt einen lustigen Effekt auf dem Teller. Am besten bereiten sie das Rosamrinöl schon eine Woche vorher zu, denn es muss ziehen, um sein Aroma zu entfalten. Viel Spaß mit der Hamburger Lavalampe!
Zutaten für die Quarkbutter:
- 150 g weiche Butter – aber nicht zu weich Butter
- 250 g Ziegenquark – je fetter und je regionaler desto besser Quark
- 5 g Salz (1 TL) Salz
Alle drei Zutaten mit dem Rührgerät weiß-schaumig aufschlagen, dann gut 1 cm dick auf ein Blech streichen und im Kühlschrank (oder kurz im Tiefkühlfach) fest werden lassen. Zum Servieren Kreise ausstechen oder Vierecke schneiden und auf Teller legen. Mit Rosmarinöl, Schnittlauchöl und Chili-»Öl« beträufeln.
Zutaten für Rosmarinöl:
- 1 Bund Rosmarin
- 500 ml mildes Rapsöl Rapsöl
Rosmarinnadeln zupfen und in einem Einmachglas mit einem Holzstößel andrücken – ähnlich wie die Limetten für Caipirinha. Das Öl auf etwa 60 Grad erhitzen, über die Rosmarinnadeln gießen, das Glas verschließen und wenn möglich eine Woche (!) ziehen lassen, dann durch ein feines Sieb abgießen und das Öl in Flaschen füllen.
Zutaten für Schnittlauchöl:
- 125 g Schnittlauch
- 12,5 g Salz (1 EL) Salz
- 250 g mildes Rapsöl Rapsöl
Schnittlauch grob schneiden und mit Salz und Öl etwa 10 Minuten lang bei 60 Grad mixen – das geht am einfachsten in einem Küchenmixer mit Heizfunktion. Oder in einem Mixer ohne Heizfunktion, oder mit dem Pürierstab – beim Mixen heizt sich das Öl auch von selber auf. In beiden Fällen bleibt die Mixzeit ungefähr gleich, am Anfang ist das Öl kühler und am Ende wärmer als 60 Grad. Das knallgrüne Öl durch ein sehr feines Sieb oder ein Passiertuch abgießen, möglichst schnell abkühlen damit es auch schön grün bleibt. Das klappt am besten entweder in einer Schüssel mit Eiswasser, oder Sie stellen das Öl kurz in den Tiefkühler.
Zutaten für Chili-»Öl«:
- 1 kleine frische Knoblauchzehe Knoblauch
- 10 Vogelaugenchilis Chili
- 100 g Zucker
- Salz, Essig
Knoblauch schälen und in Scheiben schneiden, Chilis längs halbieren, die Kerne herauskratzen, das Fruchtfleisch ein paarmal durchschneiden. Knoblauch und Chilis mit Zucker und 100 ml Wasser 2 Minuten aufkochen, dann sehr fein mixen. Mit Salz und ein paar Tropfen Essig abschmecken.
Chili-Variante: Thomas Imbusch lässt die Chilis zuerst kurz fermentieren, das macht den Chilisirup später besonders frisch – lohnt sich aber nicht für so eine kleine Menge. Falls Sie mehr Chilis fermentieren wollen, einfach Chilis putzen, entkernen, wiegen, 2 Prozent vom Chiligewicht Salz zugeben. Alles zusammen in einem Gefäß mit einem Gewicht beschweren, sodass die Chilis nach kurzer Zeit vom austretenden Chiliwasser bedeckt sind. Nach wenigen Tagen bei Raumtemperatur beginnen die Chilis zu schäumen, die Schärfe nimmt leicht ab, die Chilis werden sanft sauer. So kann man die Chilis problemlos einige Monate lang im Kühlschrank aufbewahren und nach und nach verbrauchen – das ist übrigens auch eine gute Konservierungsmethode für Chilis, wenn man mal wieder nur eine Schote gebraucht hätte, aber 100 g im Päckchen waren.