Das Geheimnis meiner Badeanzug-Figur

Wie verändert sich der Blick in den Spiegel, wenn man älter wird? Unsere Senioren-Kolumnistin über schlaffe Haut und Anti-Aging-Produkte.

Illustration: Nishant Choksi

Ich kenne meine Falten sehr gut. Ich schaue sie jeden Morgen an, wenn ich ins Bad laufe. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Bei den meisten von ihnen kann ich sogar noch sagen, wann sie tiefer wurden und sich in meine Haut gegraben haben. Wie die Falten, die sich zwischen Augenwinkeln und Schläfen spannen. Die kamen mit Anfang 50. Eine für jede schlaflose Nacht, in der ich auf ein Enkelkind aufgepasst habe.

Älter zu werden, stellt einen auf die Probe. Es ist nicht so, dass man in den Spiegel schaut und schlagartig erkennt, dass man alt geworden ist. Aber die Müdigkeit schleicht sich in das Gesicht. Und man kann cremen und cremen und nichts wird dagegen helfen.

Früher haben mir Männer beim Vorbeilaufen in die Augen geschaut und mit einem dünnen Lächeln angedeutet, dass ich ihnen aufgefallen bin. Heute bleibt kein Blick mehr an mir haften. Ich denke, es liegt daran, dass ich für die meisten Menschen auf den ersten Blick in der Schublade »alt« lande. Und in dieser Schublade gibt es keine Unterteilung wie »alt, gibt sich aber echt viel Mühe und ist ziemlich elegant«.

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Ich bin eitel und war es immer. Als Schülerin fror ich lieber in Feinstrumpfhosen, als in kratzigen Wollstrümpfen zur Schule zu gehen. Für das Mittagessen gaben mir meine Eltern ein paar Münzen mit. Ich bestellte nur eine kleine Portion und sparte das Wechselgeld so lange, bis ich mir in der Drogerie einen roten Lippenstift kaufen konnte. Dass ich den niemals in der Schule hätte tragen dürfen, war mir egal. Es ging mir um das Lebensgefühl, einen roten Lippenstift zu besitzen.

Ich vermisse diese Gefühle. Morgens in den Spiegel zu schauen und von innen zu leuchten. Ein schönes Kleid zu tragen, durch die Straßen zu laufen und mich gut zu fühlen. Als junger Mensch ist es so leicht, zu strahlen.

Wenn ich morgens eine nüchterne Bestandsaufnahme mache, weiß ich: Die Haut hängt. Ich habe etwas, das man liebevoll als Chicken Wings bezeichnen kann. Das bedeutet, dass die Haut an meinen Armen schlaff von den Muskeln baumelt. Wie kleine Flügelchen. Selbst an meinem Hals ist die Haut ganz weich und faltig. Sagen wir so: Die Mode, große Schals zu tragen, kommt alten Frauen wirklich zu Gute. Und ich trage keine Oberteile mit kurzen Ärmeln mehr.

Abgesehen davon versuche ich, mich nicht gegen die Folgen des Alters zu stemmen, sondern sie mit Würde zu ertragen. Was ist denn auch die Alternative? Ich glaube nicht an Anti-Aging-Produkte. Das fängt schon damit an, dass auf Tiegeln steht, dass sie für »reife Haut ab 30« gemacht sind. Was soll ich denn da sagen? Verdampft diese Creme, wenn ich sie auf meine 78 Jahre alten Backen schmiere?

Leichter wäre es gewesen, bei den Haaren nachzuhelfen und die ersten grauen Strähnen wegzufärben. Aber ich denke mir: Bei alten Menschen kapiert das doch jeder sofort. Das ist dann genauso unauffällig, wie wenn Männer Haarausfall vertuschen wollen und sich die verbliebenen Haare seitlich über die kahle Platte kämmen. In meinem Schwimmbad ist so einer. Wenn er ins Wasser springt, hat er plötzlich wieder eine Glatze und das Büschel Resthaare treibt neben ihm her.

Die einzig richtige Antwort auf den körperlichen Verfall ist also eine stoisch würdevolle Haltung. Und Dingen nicht zu entsagen, nur weil man sich unwohl fühlt. Ich gehe gerne schwimmen. Also ziehe ich mir auch weiterhin einen Badeanzug an. Chicken Wings hin oder her.

Und wenn ich morgens in den Spiegel schaue, habe ich einen Trick. Die meisten Falten habe ich, wenn ich unzufrieden schaue. Ich nenne diese Falten meine Angela-Merkel-Falten. Es gibt ein einfaches Gegenmittel: lächeln.