Meistens sagt einer von uns: Ich hätte gerne die Osterferien. Oder die Herbstferien. Wir bestellen Ferien mit Kindern wie Käse an der Theke, und versuchen dabei, gerecht zueinander zu sein. Deshalb kann es schon mal einen ganzen Abend dauern, bis wir unsere Bestellungen aufgegeben und bearbeitet haben. Jan hätte gerne die Pfingstferien, zwei Wochen Kroatien, die erste Reise ohne mich. Ja, sage ich, und fahre zur selben Zeit mit Paul nach Italien.
Im Auto sagt Paul: Ich habe meinen Freund in der Schweiz erreicht, wir können bei ihm übernachten. Paul findet es in Ordnung, sich bei Freunden einzuladen. Mir ist das unangenehm. Ich frage, was macht denn dein Freund so? Ich möchte vorbereitet sein und rechne aus, dass wir nach Mitternacht ankommen, nicht sehr höflich. B. zeichnet, sagt Paul, er hat mal was studiert und abgebrochen. Jetzt ist er Geschäftsführer von irgendetwas. Paul wiederholt bestimmt: Er zeichnet wirklich gut.
Kurz nach eins kommt B. uns entgegen, läuft über das Kopfsteinpflaster der Schweizer Kleinstadt, breitbeinig, die Kippe tief zwischen den Fingern. Ich stecke mir sofort eine an, dabei habe ich gerade geschlafen. Schön hier, sage ich, und blicke auf die Häuser. B. sagt ja. Seine Mitbewohnerin schläft schon, deshalb sind wir leise, als wir uns in seine Küche setzen. Leere Flaschen, volle Aschenbecher, dazwischen Zeichenstifte und Bögen mit grafischen Formen. Wir trinken Bier und Himbeerlikör auf Eis und entscheiden uns, das lecker zu finden.
Paul und B. erzählen Paul-und-B.-Geschichten, ich bin Pauls Neue, die zuhört. B. erzählt, wie er mit Freunden zusammen saß und jemand sagte, er hole noch mal Biere. Ich wusste, sagt B., wenn ich jetzt nicht aufstehe und nach Hause fahre, schreibe ich morgen nicht zum letzten Mal diese Prüfung nach. Er sei sitzen geblieben. Grinst, stößt mit uns an. Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll in dieser ersten Feriennacht und bin gleichzeitig froh in einer WG-Kulisse zu sitzen, in der mich nichts an Zuhause erinnert. Und heute? frage ich. Ich leite einen Nachtclub, sagt B., kann ich euch mal zeigen. Die Schlüssel, sehe ich am nächsten Tag, trägt er am Hosenbund.
Später unter Decken die Vorstellung, mein Ex-Mann Jan stünde plötzlich in B.s Wohnzimmer, sähe mich und würde fragen, Frieda, was machst du auf diesem Sofa? Ich muss lachen. Mir fällt auf, dass B. keine Fragen gestellt hat und bin erleichtert. Martha und Louise haben hier keinen Platz: Niemals hätten wir alle auf das Sofa gepasst, ganz sicher nicht. Diese Reise gefällt mir, und eine ganze Weile bin ich kinderlos glücklich. Genaugenommen bis zur ersten italienischen Piazza. Zwischen den tobenden Kindern einer Großfamilie rufe ich sie doch an, meine Töchter in Kroatien: Es geht uns gut, Mama, aber weißt du, wir haben gerade keine Zeit, wir spielen.