Ein enger Schnitt für die Menschheit

Die Rakete von Blue Origin startet erstmals mit einer reinen Frauenbesatzung. Mit dabei: Katy Perry, Moderatorin Gayle King und Lauren Sánchez, die Verlobte von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Die Mission: Weltraum-Tourismus in Designer-Overalls. Eine Stilkritik.

Die Anzüge für die erste rein weibliche Crew der Blue Origin stammen vom Modelabel Monse. Von links nach rechts: Lauren Sánchez, Amanda Nguyen, Katy Perry, Gayle King, Aisha Bowe und Kerianne Flynn.

Foto: Blue Origin

Fragt die eine Celebrity die andere: Kommst du mit in die Weltraumrakete? Antwortet die: Klar! Aber was ziehe ich bloß an?

Das war natürlich als Witz gemeint, als Katy Perry der Zeitschrift Elle erzählen sollte, wie ihre spontane Reaktion auf die Einladung von Lauren Sánchez ausfiel, Teil der ersten komplett weiblichen Crew des Raumfahrtunternehmens Blue Origin zu sein. Der Laden gehört bekanntlich Sánchez' Verlobten Jeff Bezos, entsprechend durfte sie die anderen fünf »Space Girls« aussuchen, die mit ihr am Montagnachmittag in den Weltraum abheben. Neben Perry sind das die CBS-Journalistin Gayle King, die Wissenschaftlerin Amanda Nguyen, die Aktivistin und ehemalige NASA-Raumfahrt-Ingenieurin Aisha Bowe und die Filmproduzentin Kerianne Flynn.

Aber ein Nanopartikel Wahrheit schwingt auch bei nicht ganz ernst gemeinten Sätzen meistens mit. Der Start um 15.30 Uhr deutscher Zeit wird live im Internet übertragen, 90 Minuten vorher geht die Übertragung los. Perry hat 204 Millionen Follower bei Instagram, Sánchez und Bezos kommen gemeinsam auf über fünf Millionen. Heißt: Ein paar Menschen werden von diesem Spektakel schon etwas mitbekommen, der Werbewert für alle Beteiligten ist gigantisch, und selbst bei deutlich weniger Zuschauern lautet für viele eine der entscheidenden Fragen: Was um Himmels willen ziehe ich an?

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Die naheliegende Option wären die normalen Uniformen gewesen, die Jeff Bezos damals im Juli 2021 bei dem ersten bemannten Weltraumflug seiner Firma trug. Ein erwartungsgemäß blauer Overall stilistisch irgendwo zwischen Star Trek und Ghostbusters, mit schwarzen Einsätzen und schwarzen Gürteln, damit es nicht allzu sehr nach Blaumann aussieht.

Aber Sánchez ist auch bei weltlichen Missionen eher für figurbetonte Garderobe bekannt. Die ehemalige Moderatorin und leidenschaftliche Pilotin trägt im Helikopter gern enge Jeans und enge Tanktops. Das Bild, wie Mark Zuckerberg ihr bei der Amtseinführung von Donald Trump in den tiefen Ausschnitt starrte, schafft es bestimmt mal in eine dieser Zeitkapseln, die regelmäßig für die Nachwelt in den Orbit geschossen werden.

Also rief sie ihre Lieblingsdesigner Fernando Garcia und Laura Kim von Oscar de la Renta an, die auch das eigene Label Monse betreiben, und bat sie, den Overall ein bisschen femininer und »peppiger« zu machen. »To bring a little spice to space«, wie Sánchez gegenüber der New York Times erklärte. Oder um es mit Perrys Worten auszudrücken: »We´re putting the ›ass‹ in astronaut!‹ Echte Astronautinnen sind sie ja nicht, nach Perrys Meinung aber immerhin Arschtronauten.

Sängerin Katy Perry im Space-Anzug von Monse.

Screenshot: Instagram von Katy Perry

Das Ergebnis ist oben jetzt mehr Avengers als Star Trek, deutlich enger, mit einem schwarzen Unterziehteil, damit man den Reißverschluss des darüberliegenden blauen Stoffes, theoretisch, bis zum Bauchnabel aufziehen kann. Die Hose bekam einen sexy Bootcut mit leichtem Schlag, wie ihn Kendrick Lamar beim vergangenen Superbowl trug, kann aber mit einem langen Reißverschluss auch enger gemacht werden. Statt dem bisherigen glänzenden Polyester wurde feuerfestes Stretch-Neopren verwendet. Cooler als die Männer sehen die Frauen damit allemal aus. Außerdem können sie die Anzüge locker beim nächsten Ski-Ausflug wiederverwerten.

Der Weltraum ist so etwas wie die nächste »Frontier« der Modewelt. Prada war beim Entwurf der Anzüge für die NASA-Mission zum Südpol des Mondes im nächsten Jahr beteiligt, und wer sich jetzt fragt, warum deren Entwürfe wieder so weiß und unförmig wie damals bei Neil Armstrong ausfallen: Dort geht es nach wie vor um »echte« Raumanzüge, die gegen extreme Temperaturen isolieren und vor Strahlung schützen müssen. Außerdem müssen sie ausreichend Sauerstoff für bis zu acht Stunden liefern.

Sánchez und ihre Begleiterinnen hingegen werden die Raumkapsel nicht verlassen, geschweige denn auf irgendeinem fremden Planeten herumspazieren. Die Rakete fliegt selbstgesteuert, der Flug dauert lediglich elf Minuten, vier davon immerhin mit Schwerelosigkeit, aber letztlich sind diese »Space Girls« bei weitem keine Astronautinnen, sondern einfach prominente Weltraum-Touristinnen.

Die Schauspielerin Oliva Munn verglich den Trip deshalb bereits mit einem Fahrgeschäft in Disneyland. Reinsetzen, anschnallen, hochkatapultieren lassen, wieder aussteigen. »Warum? Was machen die da oben?«, fragte Munn in einer Talkshow. »Es gibt doch gerade so viele andere Dinge in der Welt, die wichtiger sind.« Die Frauen selbst und Blue Origin feiern die Tour trotzdem als bahnbrechende Premiere, weil es seit dem Soloflug der russischen Astronautin Valentina Tereshkova von 1963 keine rein weibliche Crew im All gab. Überhaupt waren nur elf Prozent der bemannten Raumfahrt bislang Frauen. Man wolle deshalb Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt dazu inspirieren, »Entdeckerinnen« zu werden. Ob als echte Astronautin oder in der figurbetonten Touristenklasse ist da natürlich Auslegungssache. Die erste deutsche Frau im All heißt übrigens Rabea Rogge und startete Anfang April an Bord einer »Dragon«-Kapsel ins All – vielleicht als Vorbild eine größere Motivation als ein figurbetonter Raumanzug?

Was die Tickets für einen Blue-Origin-Flug kosten, ist bislang nicht bekannt, aber die Konkurrenz von Virgin Galactic nimmt aktuell rund 650.000 Dollar pro Passagier. Deren von der Sportfirma Under Armour entworfene »Space Wear« ist ebenfalls Blau, sieht im Vergleich zu der schnittigen Designerversion von Monse jetzt allerdings deutlich nach Skiunterwäsche aus. 

Typischer Instagram-Kommentar: »Beam me up, Bezos«
Das sagt der genervte Ehemann: »Kann ich meine Frau auch auf den Mond schießen?«
Passende Serie: »Star Trek: Voyager«

In einer früheren Version des Artikels haben wir Aisha Bowe nur als Aktivistin beschrieben, nach dem Hinweis einer aufmerskamen Leserin haben wir die Passage um »ehemalige NASA-Raumfahrt-Ingenieurin« ergänzt.