Happy Ends des Jahres: Britney free, Paris und Lindsay in Love
Es war nicht alles schlecht 2021: Britney Spears darf nach 13 Jahren unter der Vormund-Fuchtel ihres Vaters wieder alleine Auto fahren und fängt vielleicht sogar wieder an zu singen. Paris Hilton hat mit nicht ganz jungfräulichen 40 Jahren und nach mehreren geplatzten Verlobungen einen Risikokapitalanleger namens Carter Reum geheiratet, und sogar Lindsay Lohan (Ex-Schauspielerin, Ex-Designerin, Ex-Raubkatze) verkündete kürzlich ihre Verlobung. Wenn selbst die Millennium-Blondinen in diesem Jahr ihr Glück finden, darf man die Hoffnung wirklich nie aufgeben. Das ist genau die Art von Optimismus, die wir in diesen Zeiten brauchen. (Wenn das mit Omikron so weitergeht, müssten für den Lebensmut allerdings dringend Jennifer Aniston und Brad Pitt wieder zusammenkommen.)
Was das mit Mode zu tun hat? Viel natürlich. Erstens tragen solch frohe Botschaften und so viele Britney- und Paris-Bilder in den Medien noch mehr zum aktuellen »Y2K«-Trend bei. Die Abkürzung steht für »Year 2 Kilo« (also 1000), kommt eigentlich aus der Computerwelt, heißt aktuell aber vor allem, dass die Mode aus der 2000er Zeit wieder angesagt ist: Juicy Couture, viel Strass, Schmetterlinge, Low-Rise-Jeans, bauchfrei ohne Ende. Menschen über 35 erinnern sich mit Schrecken an das Zeug, alle unter 25 finden die Zugluft an Bauch und Steißbein total erfrischend. Zweitens sorgte Paris Hilton mit ihren lang angestauten Aschenputtelträumen für die opulenteste Hochzeitsgarderobe des Jahres. Sieben Kleider in drei Tagen, darunter ein von Grace Kelly inspiriertes Kleid mit Tüll und floraler Spitze für die Zeremonie, viel Ausschnitt und ein Diadem für den ersten Tanz mit dem Bräutigam, Perlen besetztes Kleid mit Umhang zum Abendessen. Dazu natürlich viel Lipgloss und Wimpertusche, mindestens 2K.
Passender Instagram-Kommentar: »Mei ist das schön...«
Das sagt die Mutter zur ihrer 19-jährigen Tochter: »Soll ich dir meinen Schmetterlingsgürtel leihen?«
Das sagt die 19-Jährige zur ihrer Mutter: »Kannst du dir bitte wieder was übers Arschgeweih ziehen?«
Körperteil des Jahres: der Busen
»Und sie bewegt sich doch!« Der Galileo Galilei zugeschriebene Satz gilt zwar in erster Linie für die Erde, ist aber für die Mode genauso passend. Nach diversen Lockdowns und endlosem Homeoffice wurde vielerorts bereits der Siegeszug der ewigen Elastizität und modischen Barrierefreiheit prophezeit. Nie wieder Bündchen, Körbchen-BHs – nur noch ungezügeltes Rumschlabbern. Aber der Mensch ist in seinem wahren Kern (und auf Social Media) eben ein zeigefreudiges Wesen. Kaum kehrte das öffentliche Leben halbwegs zurück, wurden auch diverse Körperpartien mal wieder ordentlich durchgelüftet. Vor allem das Dekolleté war plötzlich sehr präsent – mit freundlicher Unterstützung der Netflix-Serie Bridgerton, die zu Beginn des Jahres eine große Sehnsucht nach Korsagen entfachte. Die Handlung spielt zwar Anfang des 19. Jahrhunderts, der Trend klingt spontan also etwas aus der Zeit gefallen. Aber welcher Bildausschnitt dominiert auf den Kacheln des aktuellen Zoom-Zeitalters? Na? Eben.
Bald darauf waren Demi Moore und Kate Moss bei Fendi Couture mit tiefen Ausschnitten zu sehen. Billie Eilish ließ sich für die Britische Vogue erstmals nicht in ihrer gewohnten Sack-Silhouette sondern mit Strapsen und Mieder fotografieren. Bella Hadid legte ihre Bronchien gleich ganz frei beziehungsweise bedeckte die Körperstelle nur mit einer Schmuckausführung derselben, was eine interessante Allegorie auf das Corona-Virus war. Und dann feierte auch noch Adele im Herbst ihr Comeback und präsentierte sich verbal wie nonverbal so offenherzig wie nie. Wer für Silvester eigentlich an einen Rollkragen-Look gedacht hat, liegt damit modisch also nicht ganz auf der Höhe, folgt angesichts des Temperaturgeschehens aber sicher der allgemeinen Empfehlungen aller Pneumologen.
Wird auch getragen von: Salma Hayek, Sophia Loren, Wiesnbesucherinnen (btw: das war dieses Münchner Volksfest)
Typischer Instagram-Kommentar: »Long time no see!«
Das sagt die Debütantin: »Bauch rein, Brust raus, oder umgekehrt?«
Laufstegqueens des Jahres: Timothée, Troye, Lil Nas X, Daniel
Nichts gegen Gaga, Jennifer Lopez, Cardi B. Es ist ja wirklich lobenswert, wie viel Mühe sich die Damen für ihre Laufstegauftritte immer geben. 2021 sammelten trotzdem die Männer die meisten Lorbeeren ein. Klarer Außenseiter-Vorteil: Nach all den eintönigen Pinguin-Jahren lässt sich vermeintlich mit jedem farbigen Socken punkten.
Stimmt so natürlich nicht ganz. Es braucht schon auch Geschmack, Chuzpe und/oder einen halbwegs talentierten Stylisten. Der Sänger Troye Sivan erschien bei der Met-Gala in einem Kleid aus der neuen Genderless-Linie von Joseph Altuzarra und trug dazu ein Diamantencollier von Cartier. Das beeindruckte auch Rihanna, die den 26-Jährigen prompt mit gelupftem Kleid über dem Pissoire fotografierte. Lil Nas X, Jared Leto und Daniel Kaluuya arbeiteten kollektiv daran, Lila nicht mehr nur zur Farbe der Frauenbewegung zu machen. Und Timothée Chalamet, auch in modischer Hinsicht absoluter Klassenprimus, erschien in Cannes im silbernen Tom-Ford-Anzug. Das war allerdings quasi der dreifache Axel des Redcarpet-Programms. Hoffentlich bringt das Steven Gätjen bei der Oscarverleihung 2022 nicht auf falsche Gedanken.
Ebenfalls lobend erwähnen muss man in dieser Kategorie noch Daniel Craig, der es im Alleingang – alte Bondangewohnheit – geschafft hat, Samtanzüge von einer hartnäckigen Staubschicht zu befreien. Sein Auftritt im himbeerfarbenen Smoking bei der Premiere von Keine Zeit zu sterben in London war ein erstklassiger Abschiedsstunt. Die Auszeichnung »Abgang des Jahres« verdient der Schauspieler übrigens gleich doppelt. Während Matrix 4 und die Fortsetzung von Sex and the City gerade laufen, scheint ein Comeback von ihm als James Bond weitgehend ausgeschlossen. Es sei denn, irgendein durchgeknallter Drehbuchschreiber erinnert sich an die Bobby-Ewing-Nummer aus Dallas: ein eigentlich gestorbener Seriencharakter, der plötzlich – alles nur geträumt! – wieder höchst lebendig unter der Dusche steht. Bloß nicht.
Wird getragen mit: Stolz, ohne Vorurteil
Typischer Instagram-Kommentar: »Oh boy.«
Passende Poptruppe: New Kids on the Block
Atmungspassives Accessoire des Jahres: die Kopfkutte
Der Mund-Nasen-Schutz kam 2020 und wollte auch 2021 einfach nicht verschwinden. Dafür gibt es ihn jetzt in sämtlichen Farben, Mustern, durchsichtig und mit diversen Buchstabenkombinationen. Der erste, der das neue Vermummungsgebot auf die Spitze trieb, war Kanye West. Unter anderem bei der Couture-Premiere von Balenciaga im Juli in Paris erschien er mit bedrucktem Sack über dem Kopf. Ob das mehr eine Parabel auf die Corona-Ästhetik oder ein Aufruf für mehr Anonymität in unserer über-exhibitionistischen Gesellschaft sein sollte, blieb leider auch im Verborgenen. Manche witterten dahinter sogar ein Post-Trennungs-Statement in Richtung Kim Kardashian à la: »Da habe ich meinen Kopf gerade noch mal aus der Schlinge gezogen!«
Interessanterweise übernahm die Anführerin des KK-Clans den Look bald selbst und erschien bei der Met-Gala im September im wahrsten Sinne des Wortes von Kopf bis Fuß in Schwarz, also ebenfalls mit stoffverhülltem Gesicht. Trotzdem wusste natürlich sofort jeder, wer sich unter der Balenciaga-Robe verbarg. Wenn der eigene Umriss genügt, um erkannt zu werden: die ultimative Stufe des Starseins.
Das Timing war allerdings eher problematisch. Kurz zuvor hatten die Islamisten Kabul erobert. Während afghanische Frauen um ihre neu erlangten Freiheiten bangten und die Durchsetzung der Burka fürchteten, erschien eine der bekanntesten Frauen der freien Welt einfach mal so verhüllt. Während sonst jedes irgendwie diskriminierende Kleidungsstück heute auf Seiten wie Diet Prada ausgebuht wird, blieb der Aufschrei hier erstaunlicherweise aus.
Wird auch getragen von: Spiderman, Bankräubern
Wird getragen mit: schwitzfreiem Make-up
Passender Song: »Take my breath away« (Berlin)