Eineinhalb von fünf Sternen

Der nette Hotel-Manager bittet, sein Haus im Internet gut zu bewerten. Soll man das machen, auch wenn man sich dort anfangs nicht besonders wohl gefühlt hat?

Illustration: Serge Bloch

»Wir waren im Sommer in Griechenland. Unser ­Hotel hatte vier Sterne, allerdings gab es renovierte und unrenovierte Zimmer, letzteres haben wir bekommen. Altes Bad, Schranktür kaputt, Kühlschrank lief aus. Nach einigen Tagen haben wir die Mängel gemeldet. Der Manager gab uns für den Rest des Urlaubs ein besseres Zimmer ohne Aufpreis. Allerdings hat er, wann immer wir uns begegnet sind, betont, dass wir bitte eine tolle Bewertung im Internet schreiben sollten, das Hotel sei darauf angewiesen. Ich fand das Hotel trotz der Geste des Managers insgesamt nicht so gut und fühle mich in einem moralischen Dilemma.« Felicitas R., Freiburg im Breisgau

Es ist eine der niederträchtigsten Besonderheiten unserer Zeit, dass alles und jeder im Internet öffentlich beurteilt werden kann. Schon klar, der Servicegedanke, die Transparenz. Was für ein Blödsinn. Dieser Zahnarzt wird von vier Patienten weiterempfohlen, ein Patient hat sich nicht ernst genommen gefühlt, einer fand die Sprechstundenhilfe sehr zuvorkommend. Und? Dieser Roman wird von 114 Leuten mit 3,7 von 5 Sternen beurteilt, einer der positiven Kommentare: »Gute prompte Lieferung, 5 von 5 Sternen.« Oder, es geht um eine aufblasbare Sexpuppe für 24,82 Euro auf Amazon: »Sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis!« Dazu die Information, dass Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, sich auch das Produkt »Wixies Wichstücher« ansahen.

Und was sagt einem das jetzt? Exakt: nichts. Genauso wenig wie Ihre Bewertung einem möglichen zukünftigen Gast jenes Hotels etwas sagen wird, auch wenn Sie noch so sehr beim Schreiben von dem Gefühl bewegt waren, der Gesellschaft einen außerordentlich nützlichen Dienst zu erweisen. Meine Güte, dann war Ihr Zimmer halt nicht renoviert – das Hotel hat doch einwandfrei reagiert. Damit sollte die Sache zwischen Ihnen beiden, dem Hotel und dem Gast, erledigt sein (und nächstes Mal beschweren Sie sich vielleicht gleich).

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Dass das Hotel an diese blöden Online-Bewertungen glaubt, ist zumindest nachvollziehbar. Es glauben ja genug potenzielle Gäste daran und buchen danach. Aber wir sollten nach Möglichkeit alle gemeinsam daran arbeiten, diese neoliberale Idiotie wieder einzudämmen, die uns vorgaukeln will, dass wir alle gleich sind, das Gleiche mögen, das Gleiche unmöglich finden, wir alle nichts als dumme Kunden in diesem mittelprächtigen Serviceparadies namens Welt. Es ist wirklich unerträglich, wie verblödet unsere Zeit ist. Ich gebe ihr eineinhalb von fünf Sternen.