Name: Fee Hollmig
Geboren: 1974 in Valencia
Ausbildung: Ostkreuzschule Berlin, Abschlussklasse 2009
Homepage: www.feehollmig.de
Viele Europäer, die in indische Großstädte reisen, sind überfordert von der Masse an Eindrücken, der Armut etwa. Ging es Ihnen auch so?
Nein, überhaupt nicht. Mich hat das Land sofort begeistert, die Herzlichkeit und Offenheit, die überall herrscht. Einige von meinen Kollegen hatten Probleme: Es ist nicht einfach mit der Hitze und dem Dreck in der Stadt klar zu kommen. Und für unsere Verhältnisse wirken die Menschen oft aufdringlichen. Ich habe mich aber wie gesagt wohl gefühlt. Die Wärme der Menschen hat mir sehr gut getan und ich habe einen richtigen Motivationsschub bekommen. Es gab allerdings auch Tage, wo es für mich anstrengend wurde. Auf längere Zeit gesehen, ist es sicher nicht leicht. Aber trotzdem: Nach vier Wochen wollte ich gar nicht weg aus dem Land.
Sie sprachen von Ihren Kollegen, mit wem waren Sie in Indien?
Mein Besuch hat im Rahmen eines Projekts der Ostkreuzschule stattgefunden. Da waren rund 15 Fotografen beteiligt, die in verschiedene Städte geschickt wurden: Berlin, Warschau und Mumbai. Das Ganze wurde vom Goethe-Institut mitfinanziert. Das Überthema lautete "Fortuneseekers" – "Glückssucher". In Mumbai sollte es dabei vor allem um die Migration der Landbevölkerung in die Stadt und die Entwicklung zur "Megacity" gehen.
Die Glückssucher sind auf Ihren Bildern oftmals Kinder. In was für eine Zukunft blicken sie?
In eine kapitalistische, harte Zukunft. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen dort nach wie vor den Fußabtreter für den Westen darstellen. Die Billigware für unseren Markt wird dort unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt. Ich habe Menschen gesehen, die ohne jegliche Schutzkleidung mit hochgiftigen Lacken gearbeitet haben. Deren Haut war schon komplett golden. Zu ihrem Glück gibt es in Indien aber einen starken Zusammenhalt unter den Menschen. Jeder ist Teil einer Gemeinschaft, die ihn auffängt.
Wie haben Sie in Mumbai gearbeitet?
Für mein Thema sollte ich eigentlich den Alltag einer Fotografin zeigen, die in Mumbai für die Tagespresse arbeitet. Dafür habe ich sie in ihrem Tagesgeschäft begleitet. Die Orte, an denen sie fotografiert hat, waren aber oftmals ziemlich dröge. Es hat sich viel in Tagungsräumen und so weiter abgespielt. Doch immerhin war ich durch die Fotografin viel unterwegs. Ich habe dann angefangen die Hin- und Rückwege zu nutzen, um wie wahnsinnig zu fotografieren. Über die Fotografin bin ich aber auch an Orte gelangt, zu denen ich sonst keinen Zutritt gehabt hätte. Wir waren zum Beispiel einmal auf einer Bollywood-Hochzeit. So richtig mit dicken Autos und allerhand Klatschpresse vor Ort. Leider versuchte die Hochzeitsgesellschaft aber einfach, westliche Bräuche zu kopieren. Das war deswegen eher langweilig.
Sie haben auch ein Bild von einer traditionellen Hochzeit gemacht. Was haben Sie dort für Eindrücke gewonnen?
Dort herrschte eine ganze andere Atmosphäre. Der westliche Einfluss war deutlich geringer. Für viele junge Frauen in Indien ist die Heirat erst einmal etwas Furchteinflößendes. Es sind meist arrangierte Hochzeiten und die Frauen verlassen ihre Familie von einem Tag auf den anderen. Auch auf meinem Foto sieht man es der Braut ja deutlich an, dass sie alles andere als glücklich und sehr verunsichert ist. Sie hat richtig gebibbert.
War es schwer zu dort zu fotografieren?
Nein, überhaupt nicht. Generell war es in Indien als Fotografin sehr angenehm. Es gab mir gegenüber keinerlei Misstrauen. Viele Menschen waren sehr dankbar,dass ich sie fotografiert habe. Auf der Hochzeit war das schon etwas befremdlich: Die Hochzeitsgesellschaft schien überhaupt keine Rücksicht auf die Gefühle der Braut zu nehmen. Sie waren alle sehr ausgelassen und haben sich in Szene gesetzt, während es der Braut richtig schlecht ging. Ich finde, man sieht die Einstellung der Menschen wohl am besten im Gesichtsausdruck der Mutter, die neben der Braut steht. Sie scheint mit ihrem Blick zu sagen: „Kind, ich war auch einmal in deiner Position. Da musst du halt jetzt durch.“
Fotos: Fee Hollmig