Wie Salami ist Miso nicht nur vergoren, sondern zusätzlich auch noch verschimmelt. Für die wunderbare Würzpaste, eine Grundlage der japanischen Küche, wird meistens eine Mischung aus Reis und Sojabohnen in Miso verwandelt. Es eignen sich jedoch alle Hülsenfrüchte mit ihrem hohen Eiweißgehalt für diese Art der Fermentation. Mein persönlicher Favorit ist eine Variante aus Reis und Kichererbsen. Damit das Miso am Ende richtig gut schmeckt, muss man in jedem Fall die richtigen Mikroorganismen umwerben, damit sie ihre gesunde und genussbringende Arbeit verrichten - mit Wohlfühl-Paketen und Rundum-Versorgung wie in einem guten Ferienclub: Kuschelig warm soll es sein, aber auch nicht zu heiß, Getränke sind wichtig, aber nass darf es nicht sein und irgendjemand muss dafür sorgen, dass Finsterlinge draußen bleiben. Dafür sorgt vor allem eine beachtliche Menge Salz. Manche Schimmelsorten sind nicht nur erwünscht, sondern essentiell, um Hülsenfrüchte in Miso zu transformieren. Hauptsächlich ist das ein Pilz namens Aspergillus flavus der Unterart Oryzae – er heißt so, weil er gerne auf Reis, Oryza sativa, wächst. Der gemeine Brotschimmel dagegen ist absolut unerwünscht.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen kann man sagen: Miso machen ist komplex. Als Ghostwriter für das Ikarus-Restaurant in Salzburg hatte ich einige Jahre lang regelmäßig mit den besten Köchinnen und Köchen der Welt zu tun. Sehr viele von ihnen fanden es ziemlich cool, Miso oder Sojasauce selber zu brauen. Alle hatten großen Respekt davor. Ich hatte ein Standardwerk aus den Siebzigerjahren gelesen, das Miso-Buch von Akiko Aoyagi und William Shurtleff. Es hat mich ziemlich fasziniert, denn darin schildern die Autoren auch, wie man mit einfachen Mitteln eine eigene Misorei aufziehen kann, um damit gleichzeitig den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten und die Ernährung der Gesellschaft zu verbessern. Außerdem koche ich gerne mit Miso, was Sie an einigen Rezepten dieser Kolumne sehen können.
Aber ich hatte nie versucht Miso anzusetzen. Bis ich Johnny traf. Dr. Johnny Drain ist ein britischer Lebensmittelchemiker, der Avantgarde-Köche bei Projekten berät, die mit Fermentation zu tun haben. Im Frühjahr vor zwei Jahren nahm ich an seinem Miso-Workshop im Rahmen des EAT Festivals am Biotopia Naturkunde Museum in München teil. Dr. Johnny brachte den fertigen edelverschimmelten Koji-Reis schon mit und damit ist es dann ganz leicht, selber Miso anzusetzen: Hülsenfrüchte kochen, mit Koji-Reis, Salz und etwas Wasser vermantschen, 4 - 6 Monate warten. Fertig. Die einfache Version, so wie sie Millionen von Japanern schon seit Jahrzehnten praktizieren, beschreiben Aoyagi und Shurtleff in ihrem Buch. Es wäre eine sportliche Herausforderung auch den Koji-Reis selber anzusetzen, vielleicht probiere ich das irgendwann, man kann auch die reinen Pilz-Sporen problemlos kaufen. Aber für den Moment habe ich eine Methode gefunden, mit der ich ein leicht stückiges Miso ansetzen kann, das genau so schmeckt, wie ich es mir wünsche. Damit die Rezept-Details auch wirklich stimmen, habe ich Dr. Johnny noch einmal befragt. Das Miso für die Spaghetti im Video stammt übrigens noch aus diesem ersten Ansatz – wenn es einmal richtig fermentiert ist, dann hält sich die würzige Paste erstaunlich lange.
Kichererbsen-Miso
Zutaten:
- 650 g getrocknete Kichererbsen Kichererbsen, Hülsenfrüchte
- 500 g trockenes Reis-Koji für Miso, zum Beispiel dieses hier. Koji
- 250 g Kochwassser von den Kichererbsen Kichererbsen
- 200 g unbehandeltes Meersalz Salz
Kichererbsen in einer großen Schüssel mit heißem Wasser aus dem Wasserhahn übergiessen, 24 Stunden quellen lassen. Dann abgiessen mit frischem Wasser in einen Topf geben kochen, bis die Kichererbsen so weich sind, dass man sie gut mit den Fingern zerdrücken kann je nach Qualität der Kichererbsen reicht manchmal schon eine gute Stunde, aber es können auch fast 3 Stunden werden. Danach in der Kochflüssigkeit auf 30 Grad abkühlen lassen. Abgiessen, dabei einen guten Viertel Liter vom Kochwasser auffangen.
1500 g Kichererbsen abwiegen, mit dem Koji in einer großen Schüssel mischen, Salz und 150 ml Kochwasser zugeben, mit den Händen zu einer Paste zerdrücken – dabei wenn möglich Handschuhe tragen. Oder mit einem Pürierstab pürieren – ich mag es lieber wenn das Miso kleine Stückchen enthält, aber man kann es auch ganz glatt pürieren. Die fertige Paste soll sich gut zu Kugeln formen lassen – das heißt sie soll weder krümeln, noch darf sie zu weich sein – cremig wäre die falsche Konsistenz. Wahrscheinlich fehlen noch etwa 100 ml Wasser, also einfach nach und nach etwas mehr vom Kochwasser einarbeiten. Falls die Paste noch mehr als insgesamt 250 g Wasser aufnimmt unbedingt auch das Salz nachdosieren und zwar mit 9 Prozent vom zugegebenen Gewicht, also mit 11 g Wasser immer auch 1 g Salz zugeben.
Kichererbsenpaste zu knapp tennisballgroßen Kugeln formen und nach und nach in ein sauberes Fermentationsgefäß drücken. Am besten jede Kugel in die Mitte des Behälters legen und flachdrücken, so bleiben möglichst wenige Luftbläschen im Glas. Glattstreichen, ganz leicht mit Salz bestreuen und dann beschweren. Dafür eignen sich am besten Keramikgewichte aus einem Gärtopf, oder ein kleiner Teller, der ins Gefäß passt mit einem zusätzlichen Gewicht – aber ein feiner Stoffbeutel gefüllt mit gewaschenem Quarzkies tut es auch. Das oder die Gewichte sollten mindestens 1,5 kg schwer sein – das ist wichtig, damit wirklich keine Luftblasen in der Paste bleiben. Für kleinere Gläser für je 1 l kann man online sehr leicht die passenden Beschwerungssteine finden, die eignen sich auch für Kim Chi und Co. – damit die Menge am besten auf 3 Gläser aufteilen und jeweils mindestens 2 Gewichte auflegen. Falls Beutel, Teller oder Steine nicht gut zum Behälter passen, das Miso mit Plastikfolie zudecken damit keine größeren Flächen an der Luft sind, dann erst das Gewicht auflegen.
Den Behälter zudecken, das kann ein lose aufgelegter Deckel sein. Falls sich in den ersten Wochen viele Luftblasen im Miso bilden, etwas am Gefäß rütteln – falls das nicht reicht, um die Bläschen aufsteigen zu lassen, schwerere Gewichte auflegen - oder ab und zu umrühren – dabei aber möglichst wenig zusätzliche Luft einrühren, die Glaswände vorsichtig reinigen und das Miso wieder schön festdrücken.
Bei Zimmertemperatur (nicht im direkten Sonnenlicht) mindestens 4 Monate reifen lassen – dann probieren. Wenn das Miso schon perfekt schmeckt, ganz oder teilweise entnehmen, in kleine Gläser umfüllen, im Kühlschrank lagern und in den folgenden Monaten verbrauchen. Wahrscheinlich schmeckt es aber nach 6 Monaten noch besser. Wenn Sie also nur einen Teil vom Miso entnehmen, den Rest möglichst sauber glattstreichen, mit etwas Salz bestreuen, beschweren und noch ein paar Monate weiter reifen lassen.
Einige Anwendungsbeispiel für Ihr Miso finden Sie hier. Wenn Sie selbstgemachte Misopaste verwenden, darf es auch ein wenig mehr sein als im Rezept angegeben, gekaufte Pasten enthalten meist mehr Salz: