Geht runter wie Öl

Unser Kochkolumnist rät dazu, gebrauchte Fette als Würzmittel zu recyclen. Aber wie? Zum Beispiel mit diesem Rezept für vegane Tortillas mit Süßkartoffeln und Mandarinen-Vinaigrette. Funktioniert natürlich auch mit frischem Olivenöl. 

Ein buntes Allerlei landet im Maisfladen – Tortillas sind auch im Winter ein echter Bringer

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

Auf der Couch, zwischen Weihnachtsbaum und Sukiyaki, noch leicht vernebelt von Quittenpunsch und Familienfeier, waberte ein Gedanke durch mein Gehirn: Buttervinaigrette! Also eine Salatsauce mit flüssiger Butter statt Öl. Mit Speckfett hatte ich das schon probiert: Eine warme Speckvinaigrette auf einem winterlichen Endiviensalat schmeckt zum Beispiel sehr gut (hier ein anderes Beispiel mit Bohnen-Piccata). Doch dann dachte ich an die aktuell astronomischen Butterpreise und ich verwarf den Gedanken. Ein Butterbrot ist eine feine Sache, aber in die Salatsauce muss ich sie im Moment nicht zwingen. Butter und alle anderen Fette und Öle waren jahrzehntelang günstig – vielleicht zu günstig, um einen vorsichtig-nachhaltigen Umgang mit ihnen zu fördern. Sowohl im Haushalt als auch in Profiküchen werden Bratfett oder das Fett auf einer Brühe oder das Öl aus Antipastigläsern in der Regel weggekippt.

Das war nicht immer so, Alfred Walterspiel beschreibt in seinem Buch über die Gastronomie der Goldenen Zwanziger Jahre (siehe Anmerkung unten) die Verantwortung des Rôtisseurs. Das ist der Abteilungsleiter in der Restaurantküche, der sich vor allem um die Braten kümmert: »Der Rôtisseur ist für den gesamten Fettverbrauch verantwortlich. Er ist energisch dahinter her, dass Jus, Brühen und alle Großtöpfe sorgfältig abgefettet werden (die Fette werden dann gereinigt und weiter verwendet – Anm. d. Red.). (...) Von der Sorgfalt des Rôtisseurs und seiner Achtsamkeit auf den ganzen Fettverbrauch hängt die Rentabilität einer Küche weitgehend ab.« Man muss nicht gleich zum Rôtisseur der Goldenen Zwanziger Jahre werden, aber oft spart es nicht nur Geld, Fette in der Küche weiterzuverwenden.

Gebrauchte Fette geben den Dingen zusätzliches Aroma, ähnlich wie ein gebrauchtes Whiskyfass zum Beispiel Essig aromatisieren kann. Wer sanft brät, kann das Bratfett weiterverwenden. Einfach durch ein feines Teesieb gießen, in einem Gläschen im Kühlschrank aufbewahren und bei Gelegenheit für ein Risotto, zum Anschwitzen von Gemüse oder eben für eine lauwarme Salatsauce nehmen. Wie man Öl so erhitzt, dass es nicht gesundheitsschädigend wird, können Sie hier nachlesen. Sardellenöl gibt einer Sauce gleichzeitig ihre öligen Qualitäten und ein feines Fischsaucenaroma – das ist der Caesar-Salad-Kick. Auch die Öle von eingelegtem Gemüse eignen sich meist als Würzöle. Dickere Fettstückchen, die ich vor dem Braten von Geflügel oder Fleischstücken abschneide, hacke ich ganz grob und koche sie mit ein paar Löffeln Wasser in einem sehr kleinen Topf, bis das Wasser verdunstet ist, das Fett klar wird und die Stückchen knusprig aussehen – das ist die ganz klassische Methode, um Schweineschmalz oder Gänseschmalz herzustellen. Klappt aber auch bestens mit den Fett- und Hautstückchen, die anfallen, wenn man ein ganzes Huhn verarbeitet. Die Stückchen werden dabei superknusprig, mit einer Prise Salz ist das ein legendärer Snack.

Für meine Mandarinen-Vinaigrette – wahrscheinlich die einfachste Marinade der Welt – können Sie ganz wunderbar Olivenöl verwenden, das Tortilla-Rezept ist damit auch vegan. Wenn Sie aber ein paar Löffel Tomatenöl, Bratfett oder von mir aus auch Butter von anderen Zubereitungen aufgehoben haben – dann ersetzen Sie damit einfach einen Teil des Olivenöls. Wahrscheinlich schmeckt es sehr gut.

Tortillas mit Süßkartoffeln und Mandarinen-Vinaigrette

Zubereitungszeit
1
Gesamtzeit
24
Schwierigkeit

Zutaten:

Für 4 Personen
  • 4 nicht übermäßig scharfe Chilischoten – oder ein paar mehr für den Vorrat (siehe Video) Chili
  • Salz, Muskat Salz, Muskat
  • 600 g (lila) Süßkartoffeln Süßkartoffel
  • 200 ml Kokosmilch
  • 2 kleinere Stangen Lauch Lauch
  • 6 Mandarinen (gut 500 g) Mandarine, Clementine
  • 4 EL Olivenöl – o. Ä., siehe Text Olivenöl, Öl, Fett
  • 75 g gesalzene Mandeln, Rauchmandeln, Chilimandeln o. Ä. Mandel
  • 100 g Rotkraut Rotkohl, Blaukraut, Rotkraut
  • 1 Handvoll lila Shisoblätter (heißt auch Perilla oder vietnamesisch La Tia To) Shiso, Perilla, Sesamblatt
  • 100 g Granatapfelkerne (optional) Granatapfel
  • 8-12 Maistortillas mit 12-14 cm Durchmesser – gekauft z. B. hier oder selber gebacken, wie z. B. hier. Wer keine Maistortillas findet, kann auch »normale« Weizentortillas verwenden. Tortilla, Maisfladen, Weizenfladen

1. Chilischoten in Ringe schneiden, kräftig salzen, mit einem Löffel wie einen Krautsalat drücken, mindestens eine Stunde, besser einen Tag lang stehen lassen. Dann auf ein Sieb geben, die Feuchtigkeit abschütteln, die Chiliringe mit einer Gabel oder einer Kochpinzette aus dem Sieb fischen – so dass ein Großteil der Kerne und Salzreste im Sieb bleiben. Chiliringe in ein Gläschen geben, ein wenig zusammendrücken und mit Öl begießen, evtl. mit einem säurefesten Gewicht beschweren (ich nehme manchmal kleine Halbedelsteine oder Granitkiesel oder Glasdeckel von alten Apothekengläsern) – solange alles von Öl bedeckt ist, halten die Chilis praktisch unbegrenzt.

2. Süßkartoffeln schälen, grob würfeln und mit einem Schuss Wasser ca. 20 Minuten zugedeckt weich dünsten. Gegen Ende sollte fast keine Flüssigkeit mehr da sein. 200 ml Kokosmilch zugeben, aufkochen, mit einem Kartoffelstampfer oder einer Gabel pürieren, mit Salz und etwas Muskat abschmecken.

3. Während die Süßkartoffeln kochen, den Lauch putzen, ledrige Endstücke entfernen, den Rest längs vierteln, waschen und in quere Streifen schneiden – dabei die zarten, hellgrünen Teile aus dem Herz ganz fein schneiden, alles andere daumenbreit schneiden. Feine Streifen beiseite stellen, grobe Streifen mit 2 EL Olivenöl, einer Prise Salz und einem kleinen Schuss Wasser 8 Min. weich dünsten. Mandarinen schälen, die Filets in kleine Stücke schneiden. Mandarinen leicht salzen und mit restlichem Olivenöl marinieren – das ist schon die ganze Mandarinen-Vinaigrette (Sie können damit auch winterliche Salate anmachen, z. B. mit Rotkraut, Radicchio, Chicorée oder Fenchel).

4. Mandeln grob hacken, Rotkraut so fein wie möglich schneiden, Shiso waschen und trockenschütteln. Alle vorbereiteten Zutaten in Schalen, Schüsseln und Tellern anrichten, so dass sich jeder selber seine Tortilla füllen kann.

5. Tortillas nach und nach in einer schweren Pfanne erhitzen. Entweder warm halten bis alle fertig sind – oder immer gleich füllen und genießen, sobald eine Tortilla frisch aus der Pfanne kommt.

Anmerkung:
Das Buch von Alfred Walterspiel Meine Kunst in Küche und Restaurant ist eigentlich ein Kochbuch mit veralteten Rezepten der Haute cuisine. Das Einleitungskapitel ist aber nach wie vor sehr lesenswert. Darin beschreibt der erste deutsche Starkoch nämlich ganz genau, wie ein Restaurant geplant werden sollte und wie man den Restaurantbetrieb organisieren muss, um gut zu kochen und gleichzeitig auch Geld mit dem Betrieb zu verdienen. Die Fragen, die Walterspiel sich dabei stellt, sollte sich auch jeder moderne Gastronom stellen, auch wenn die Antworten sich im Laufe der Jahrzehnte sicher teilweise gewandelt haben.