Für die letzte Essens-Ausgabe des SZ-Magazins habe ich kürzlich zusammen mit Lars Reichardt ein sehr anregendes Gespräch mit David Chang geführt. Inzwischen ist der US-Koch mit koreanischen Wurzeln wahrscheinlich als Netflix-Star bekannter denn als Restaurantgründer. Aber der Weltruhm kam schon vor zwanzig Jahren, kurz nachdem Chang eine Nudelbar in New York eröffnete. Dort werden auch heute noch scheinbar einfache, asiatische Nudelsuppen mit derselben Kompetenz und Aufmerksamkeit gekocht wie sonst nur Menüs in Sternerestaurants. Und das zu (New Yorker) Nudelsuppenpreisen. Das Gespräch hatte mich unmittelbar zu einem Rezept inspiriert, ich habe viele Anregungen daraus mitgenommen. Eine für David Chang typische Herangehensweise fasziniert mich besonders: Wenn wir in der Tradition der mitteleuropäischen Küche Fleisch schmoren oder Brühen ansetzen, dann geht es meistens darum (es gibt Ausnahmen), Fleisch, Knochen, Gemüse oder Gewürzen möglichst viel Aroma zu entziehen, um so den Geschmack der Zutaten in verführerisch-kräftige Brühen oder Saucen zu transportieren. Was übrig bleibt, kann immer noch gut schmecken, Suppengemüse gibt zum Beispiel schöne Dips. Aber nach dem Auskochen ist eindeutig weniger Geschmack drin als vorher.
Chang dreht das Prinzip um: Für ein gekochtes Stück Rinderbrust setzt er zuerst eine Brühe an, mit Kimchi, koreanischem Miso, Chilipaste und Fischsauce. Die Brühe schmeckt so intensiv, dass man sie direkt als Brühe verwenden könnte – und nachdem das Suppenfleisch darin gegart wurde, schmeckt sie noch besser, nämlich auch nach Rind. Aber auch das Fleisch schmeckt köstlich, nämlich nach den Aromen der Brühe. Eine gute Idee.
In seinem neuen Buch »Zuhause Kochen« gibt David einige Anregungen für Rezepte mit dem gekochten Fleisch und der schönen Brühe. Sein Sukiyaki eignet sich bestens für Silvester, denn es funktioniert wie ein Fondue – nur ohne Besitzansprüche, denn jeder gibt etwas in die Brühe – und fischt später vielleicht etwas ganz anderes wieder heraus. Dem kommunistischen Känguru aus Marc-Uwe Klings »Känguru-Chroniken« würde diese Sukiyaki-Version sicherlich gefallen. Der Einfachheit halber habe ich die Mengenverhältnisse aufgeschrieben. Sie können sich daran orientieren, aber lesen Sie dieses und andere Rezepte nicht als strenge Vorschrift. David Chang spart sich weitgehend die Mengenangaben (und auch meine allerersten Kolumnen für das SZ-Magazin liefen unter dem Titel »Kochen (fast) ohne Rezept«). Denn selbst, wenn Rezepte sehr genau ausgearbeitet sind, ist es trotzdem mindestens genauso wichtig, zuzuschauen und aktiv zu begleiten, was im Topf passiert. Feiern Sie schön!
Sukiyaki nach David Chang
Zutaten:
- 750 g gekochtes Rindfleisch (siehe Grundrezept) Rindfleisch, Rind
- 500 g Schwarzkohl oder ein anderer Kohl Schwarzkohl, Kohl
- 300 g rote Zwiebeln Zwiebel
- 1 Bund Lauchzwiebeln Lauchzwiebel
- 300 g Enokipilze und Shiitakepilze Enoki, Shiitake, Pilze
- 3 Eier Ei
- 4 EL Ponzu-Sauce (Asienladen, oder das Ei einfach mit Sojasauce, Limettensaft und ganz wenig Ahornsirup würzen) Ponzu, Ponzu-Sauce
- 1,5 l Brühe (siehe Grundrezept) Brühe
- 400 g Udonnudeln (vorgekocht und vakuumverpackt) Nudeln, Udonnudeln
- Chillisauce z. B.: Ssämsauce oder Chili-Crunch Chilisauce
1. Das Fleisch in ziemlich dünne Scheiben schneiden, die man gut mit Stäbchen fassen kann – große Scheiben also nochmal halbieren oder dritteln. Das Gemüse so fein schneiden, dass es in der Brühe nur wenige Minuten braucht, um gar zu werden – etwa Kohl und Zwiebeln in Streifen schneiden, die Pilze eher ganz lassen. Eier mit Ponzu verquirlen und in 4 Schälchen verteilen. Das Gemüse in Schalen verteilen.
2. Die Brühe aufkochen und entweder mit einem Rechaud oder in einem schweren Topf auf den Tisch stellen und zwischendurch nochmal aufkochen – die Brühe bleibt eine ganze Weile heiß genug um das Gemüse darin zu garen – und das Rindfleisch ist ja sowieso schon gar.
3. Jeder Gast kann nun Gemüse oder Fleisch ins Ei tauchen und dann in der Brühe kurz garen – dabei angelt sich jeder aus dem Topf, was er oder sie gerade mag. Die gegarten Stückchen dann eventuell noch in Chilisauce tauchen oder mit etwas Chili-Crunch bestreuen.
4. Zuletzt die Nudeln in der Brühe erhitzen und als kleine Suppe zum Abschluss genießen.
Grundrezept: David-Chang-Style Rinderbrühe und Rindfleisch als Basis für weitere Rezepte
Für das Sukiyaki reicht die halbe Menge, wie im Video zu sehen – der schöne Topf war nicht groß genug für 3-4 kg Rinderbrust. Aber eigentlich würde ich lieber die ganze Menge kochen und einen Teil davon einfrieren für spätere Verwendung, eine Anregung dazu gebe ich Ihnen in der kommenden Woche.
Zutaten zwei Mal 4-6 Personen:
- 3-4 kg Rinderbrust (Alternativen: Rinderhals, Shortribs – oder natürlich die Suppenstücke der österreichischen Küche, Tafelspitz & Co.) Rind, Rinderbrust
- 300 g Kimchi
- 50 g Gochujang
- 100 g Doenjang
- 4 EL (Red Boat) Fischsauce Fischsauce
- 4 EL Ahornsirup
- Salz
4 l Wasser in einem großen Topf aufkochen. Kimchi, Gochujang, Doenjang, Fischsauce und Ahornsirup zugeben, evtl. zusätzlich leicht salzen – das soll jetzt schon wie eine kräftige Brühe schmecken, nicht zu salzig aber sehr aromatisch. Rindfleisch zugeben und je nach Rind 2,5 bis 3,5 Stunden kochen, bis sich das Fleisch leicht von den Knochen lösen lässt und wenn man ins Fleisch drückt eine Delle bleibt oder nur langsam wieder verschwindet. Während der Kochzeit ab und zu den Schaum abnehmen und wenn sehr viel Fett auf der Brühe ist, auch einen Teil vom Fett abschöpfen (am besten in einem Glas abkühlen lassen, so dass sich Wasser und Schwebstoffe absetzen, dann kann man das feste Fett abheben und für andere Rezepte weiterverwenden, z. B. um Gemüse sanft anzubraten). Anschließend abkühlen lassen. Einen Teil vom Fleisch und von der Brühe separat und in praktischen Portionen einfrieren und später weiterverwenden.