Wer das wilde Leben liebt, kocht Marmelade mit ganzen Kirschen

In einer Marmelade ganze Früchte zu verarbeiten, ist gewagt, denn so können sich flüssige Stellen zwischen Kirschen und Gelee bilden: Aber sind Kirschpfützen nicht ein Symbol für Freiheit und Rebellion? Hier das Rezept für die weltbeste Kirschmarmelade.

Die Kirschmarmelade macht sich am besten auf rustikalem Bauernbrot mit viel Butter.

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

Seit Jahren hege und pflege ich einen Kirschbaum im Garten, im Frühjahr gebe ich ihm Mulch und Kompost, im Sommer beschneide ich den Baum und im Winter rede ich ihm gut zu. Inzwischen ist aus dem dürren Pflänzchen ein prächtiger Baum geworden, haushoch. Die Sorte heißt Hedelfinger Riesenkirsche, sehr beliebt auf fränkischen Streuobstwiesen, weil die großen, dunklen Früchte so gut schmecken. Im Sommer spendet er uns Schatten, die Eichhörnchen turnen in seinen Ästen, unterm Kirschbaum kann man sich unterhalten (zu passender Musik) oder einfach herumsitzen. Nur Früchte hatte ich bis jetzt so gut wie gar keine geerntet. Seit Jahren denke ich mir deshalb Rezepte aus, für die ich nur ganz wenige Kirschen brauche – siehe Links unten – und selbst die musste ich bisher immer kaufen. Aber jetzt plötzlich, völlig überraschend hängt der Baum über und über voll mit prallen, saftigen Kirschen. Wie konnte es dazu kommen? Kann sein, dass jemand in unserer Nähe eine besonders geeignete Bestäubersorte gepflanzt hat. Die meisten Kirschsorten brauchen einen zweiten Baum in der Nähe, sonst gibt es keine Früchte. Aber auch Freunde haben von einem Superkirschjahr berichtet. Vielleicht war einfach das verrückte Wetter in diesem Frühjahr erstmalig günstig für Hedelfinger Kirschbäume in München und Umgebung. Die Natur ist voller Überraschungen.

Jetzt brauche ich natürlich Rezepte für viiiiele Kirschen und einen hilfreichen Kirschentkerner (es gibt ihn anderswo auch günstiger). Mit einfrieren, Kuchen backen und Marmelade kochen versuche ich sie alle zu verarbeiten. Wer das wilde Leben liebt, kocht Marmelade mit ganzen Kirschen. Wer mehr Sicherheit schätzt, kann einen Teil der Früchte pürieren, den Rest klein würfeln, das erste Mal aufkochen weglassen, stattdessen nur die rohen Früchte mit Zucker verrühren und 4 Stunden stehen lassen, dann 3-4 Minuten kochen.

So wie ich Salzkörner auf Brezen schätze, mag ich ganze Kirschen in Kirschgelee – Kontraste geben dem Leben Würze. Wenn sich aber eine Kirsche in der Marmelade nicht genauso mit Zucker vollsaugt, wie die sie umgebende Flüssigkeit, dann gleicht sich das Zuckerkonzentrationsgefälle später im Glas allmählich aus. Die Kirschen geben Wasser ab, es bilden sich flüssige Stellen zwischen Kirsche und Gelee – das Phänomen heißt Synärese. Der Marmeladenprofi hasst Synärese, es gibt nichts Schlimmeres. Nach unzähligen Konfitüre-Rezeptentwicklungen und zwei Einmachbüchern ist die kleine Kirschsaftpfütze im Marmeladenglas für mich ein Symbol der Freiheit und der Rebellion. Und damit die Pfütze nicht zum See wird, koche ich die Marmelade zweimal auf und lasse sie zwischendrin lange ruhen, das hilft (es gibt auch andere Methoden Kirschkonfitüre mit ganzen Früchten zu kochen, aber das Ergebnis wird immer zu süß). Mein Lieblingskirschmarmeladenrezept ist also sehr durch persönliche Erfahrungen geprägt. Probieren Sie es aus, spüren Sie in sich hinein und entscheiden sich dann für die Ihnen am besten entsprechende Methode.

Kirschmarmelade mit ganzen Früchten

Zubereitungszeit
1
Ruhezeit
24-48
Schwierigkeit

Zutaten für ca. 1200 ml:

Für 4 Personen
  • 1,2 kg Süßkirschen Kirschen
  • 100 ml Zitronensaft Zitrone
  • 500 g Gelierzucker 2:1 Zucker
  • 2 Zweige Thymian

Außerdem: 1 großer Topf, Schraubdeckelgläser

1. Die Kirschen waschen und entsteinen. Mit Zitronensaft in einen großen Topf geben, bei mittlerer Hitze mit Deckel aufkochen. Sobald die Früchte kochen, den Topf vom Herd nehmen, den Gelierzucker unterrühren. Die Kirschen mindestens 24 Stunden, besser 48 Stunden ziehen lassen – an sehr warmen Tagen in den Kühlschrank oder an einen kühlen Platz im Keller stellen.

2. Die Fruchtmischung wieder aufkochen, Thymianzweige zugeben, knapp 2 Minuten kochen, eine Gelierprobe machen: dafür den Kochlöffel abtropfen lassen – wird der letzte Tropfen am Löffel fest, dann wird auch die Konfitüre später fest. Nur falls nötig, noch eine oder zwei Minuten kochen lassen. Die kochendheiße Konfitüre sofort in heiß ausgespülte Gläser füllen. Dabei fülle ich meistens eines oder zwei Gläser als Gelee ab, ganz ohne Früchte, so steigt der Fruchtanteil in den restlichen Gläsern.

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