Kürzlich schrieb mir jemand, ich würde in der französischen Filiale des Internet-Buchhändlers Amazon als Autor des Dudens geführt. Ich also ran an den Computer, amazon.fr aufgerufen, »Hacke Duden« eingegeben, klick: tatsächlich! »Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, de Axel Hacke (Auteur)«.
Wie konnte das geschehen? Bin ich geistig so verfallen, dass mir die Schufterei für dieses zehnbändige Werk entfallen ist? Hat der Duden-Verlag geglaubt, er könne mir, einer nach jahrzehntelanger Arbeit an dieser Kolumne intellektuell zerrütteten Person, die Tantiemen für mein Werk vorenthalten? Und wo überall in der Welt kursieren weitere Werke von mir, ohne dass ich davon weiß? Bin ich am Ende auch der Erfinder Harry Potters? War ich Homer? Warum arbeite ich noch? Ich will es Ihnen sagen: weil jemand meine Arbeit machen muss. Wenn ich sie nicht mache, wird sie ein anderer erledigen. Aber ich will nicht, dass man eines Tages den Titel eines meiner Bücher bei amazon.fr aufruft, und da steht: »Wortstoffhof, de Dudenredaktion (Auteur)«.
Also weiter. Voran. Vor Monaten schickte mir Herr K. aus Ulm den Text eines Werbehefts für die berühmte, die Anden überquerende Eisenbahn Nariz del Diablo in Ecuador. Im Prospekt wird die Baugeschichte der Bahn erklärt. Es heißt da: »Die geschichte der transandischen eisenbahn im Jahre 1860 machte man erste planene und versuche die bahnstrecke von Guayaquil bis Quito zu haven und erst 1874 kam die erste lokomotive in Milagro an. Aber erst 1895 unter der presidentschaft von Eloy Alfaro, nahm man kontakt mit der amerikanischen konpaine Archer Harmann un Edwar Morely auf, welche daran interressiert waren die schwieriste bahnstrecke der welt wie sie zu dieser zeit hiess, zu baven... spaetr, in jahre1915 begann der bau der teilstrecke sibmbe Cuenca welcher nur sehr langsam fortschritt und erst 1930 funrder zug auf dem bahnnof el Tambo ein im august 1945 wurde die strecke bis Azoguez und am 6 maerz 1965 bis Cuenca eingeweint.«
Eingeweint. Was für ein Fundstück! Ich nehme es in meinen Duden auf. Es gibt so viele Orte, die man zwar meinetwegen auch einweihen, aber dann erst einmal einweinen muss. Bahnhöfe, Orte der Zusammenführung und des Abschieds. Friedhöfe. Und dann: Taschentücher, Kopfkissen, Freundesschultern, Zwiebelschneider.
Warum ist dieses Wort bisher nur in Ecuador benutzt worden? Oder wenn bei uns, dann in anderen Zusammenhängen, von Weinkennern, die vor einer Weinprobe einen Schluck von bereits bekanntem Wein trinken, um Mund und Schleimhäute auf andere Weine vorzubereiten, also einzuweinen, ähnlich wie man ein neues Auto einfährt.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der rätselhafte Anti-Fett-Magnet?)
Einzig Hildegard Knef nahm das Wort, wie es genommen werden sollte, als sie sich über Schönheitsoperationen äußerte. Ein neu geliftetes Gesicht, sagte sie einmal, das müsse man jahrelang einlachen und einweinen.
Müsste man nicht übrigens auch neue Betten einschlafen? Neue, dicke Bücher einlesen? Und wenn man dann nicht mehr weiterlesen mag, weil es eine dieser sterbenslangweiligen Scharteken ist, die man sich wieder von einem Rezensenten im Literaturteil hat aufschwatzen lassen?
Dann setzt man eine »Fertiglesebrille« auf, wie sie Leser K. aus Brannenburg kürzlich bei Tengelmann entdeckt hat: Brille auf, fertig gelesen, Ende, danke.
Ja, solche Funde sind es, die das Leben des Wortstoffhofwartes verschönern. Andere im oben Zitierten lassen ihn ratlos, konpaine, funrder, sibmbe…Wo kommt das her? Wo geht das hin?
Ratlosigkeit ist einer meiner Hauptzustände. Herr S. aus Rostock erkundigt sich, ob ich wisse, wie der »Anti-Fett-Magnet« funktioniere, der sich, dem Aufkleber auf den Flaschen zufolge, im neuen Pril Kraft-Gel befinde. Ein Magnet, der Anti-Fett anzieht? Was ist Anti-Fett? Das Gegenteil von Fett? Ein Mittel zur Bekämpfung von Fett, so wie man mit Anti-Allergika Allergien behandelt?
Geniale Erfindung, toller Stoff. Befindet er sich irgendwie gelöst in unseren Spülwässern, aus denen Pril ihn mit Anti-Fett-Magneten zieht, seine Kräfte bündelt, um ihn dann auf Essensreste loszulassen?
Zeit für eine Erwähnung im Duden, irgendwo zwischen Antifaschismus und Antigone.
Illustration: Dirk Schmidt