Mein Zug ist pünktlich, ich bin rechtzeitig am Bahnhof – aber dann gerate ich doch in Stress. Der Wagenstandsanzeiger zeigt, dass mein ICE aus zwei Teilen bestehen soll. Auf der Anzeigetafel ist allerdings über den Waggon, in dem ich reserviert habe, zu lesen: »Wagen 31 bis 39 werden beigestellt«. Was zur Hölle heißt das? Die Wagen 31 bis 39 sind der gesamte zweite Zugteil. Wenn dieser hier für uns Fahrgäste angehängt werden würde, dann müsste es im Bahndeutsch doch heißen »Wagen 31 bis 39 werden bereitgestellt«! Außerdem höre ich die Durchsage: »ICE 515 hält in Abschnitt A-C«, also nur der Hälfte des Bahnsteigs. Kurz zuvor habe ich erlebt, dass bei einem ICE, der aus zwei Teilen bestand, einer der beiden verschlossen und ohne Fahrgäste von Köln nach Frankfurt gefahren ist. Dann bedeutet »beigestellt« doch wohl, dass uns hier wieder so eine Geisterzug-Nummer bevorsteht?
Ich bin nicht der einzige, der das so versteht. Der Bahnsteig in den Abschnitten A-C ist total voll. Der Zug, der einfährt, auch – ich finde keinen Platz mehr und stehe im Gang. Als die Zugbegleiterin kommt, frage ich sie, was mit dem zweiten Zugteil sei. »Da ist noch viel Platz«, antwortet sie, »der wurde ja hier erst bereitgestellt.« »Warum steht dann auf der Anzeigetafel ›beigestellt‹ und nicht ›bereitgestellt‹?« »Das bedeutet, dass der Zug erst hier angekuppelt wurde«, sagt sie. Das soll jemand verstehen. Eine Bahnsprecherin kann auf Anfrage dann auch nicht erklären, wie der interne Begriff »beigestellt« auf die Anzeigetafel gekommen sei.
Besonders ärgerlich wird es, wenn unpräzise Angaben auf der Anzeigetafel mit unpräzisen Abfahrtszeiten zusammen kommen
Allerdings ist unpräzise Sprache bei der Bahn kein Einzelfall – Paradebeispiel ist die »geänderte Wagenreihung«. Auf eine umgekehrte Wagenreihung kann ich mich schnell einstellen. Aber wie soll ich mit einer irgendwie »geänderten« Wagenreihung umgehen? Sind die Wagen dann kreuz und quer angeordnet? Meiner Erfahrung nach ist die Abfolge dann meistens doch einfach umgekehrt. Bei den ICEs geht es ja auch gar nicht anders, weil diese in fester Formation fahren. Aber dann könnte man das auch so nennen. Etwaige sonstige Abweichungen wie verschlossene oder fehlende Wagen oder den Einsatz eines Ersatzzuges gibt die Bahn ja ohnehin zusätzlich an.
Besonders ärgerlich wird es aber, wenn unpräzise Angaben auf der Anzeigetafel mit unpräzisen Abfahrtszeiten zusammen kommen. Beispiel Frankfurter S-Bahn: Wenn es weniger als vier Minuten dauert, bis der nächste Zug kommt, steht dort auf der Anzeigetafel, die Bahn komme »in Kürze« – egal, ob man noch vier Minuten oder nur vier Sekunden warten muss.
Nun gibt es Bahnhöfe, an denen S-Bahnen mit dem gleichen Ziel von verschiedenen Ebenen abfahren. Was passiert also? Man geht zur Anzeigetafel, sieht dort, dass der Zug »in Kürze« fahren wird, hetzt mit seinem Gepäck die Rolltreppen hoch – nur um auf dem Bahnstieg zu sehen, dass der Zug schon weg ist, weil »in Kürze« in diesem Fall wohl hieß: weniger als 20 Sekunden. Wenn man Pech hat, ist die nächste S-Bahn auf dem anderen Bahnsteig dann ebenfalls nicht mehr erreichbar. Ich verstehe nicht, warum die Bahn hier nicht exakt die Minuten angeben kann. Bei der U-Bahn ist das in vielen Städten längst Standard und es gibt diese Verwirrung nicht.
Dass Sprache ein Gebiet mit vielen Fallstricken ist, zeigt noch ein anderes Beispiel: Auf vielen S-Bahnen wurde zuletzt der Schriftzug »Zeit zu surfen« angebracht – gemeint ist, dass es da jetzt kostenloses WLAN gibt. Da sich aber Jugendliche weiterhin beim so genannten S-Bahnsurfen in Lebensgefahr begeben, klingt der Claim doch ein wenig seltsam.