Womit finden Sie sich nicht ab?

Wir haben wichtige Gestalter gefragt, welche Normen und Erwartungen sie in ihrer Arbeit am meisten nerven.

Maarten Baas

Maarten Baas

In den Niederlanden zählt Baas (*1978) zu den eigenwilligsten und einflussreichsten Gestaltern. Zu seinen größten Erfolgen zählen die Möbelserie »Smoke« aus verbranntem Holz sowie die handgeformten Stühle der Serie »Clay«.

Ich werde auf niemanden hören, der mir rät, ich solle mich auf eine bestimmte Idee, Philosophie oder Ästhetik beschränken. Ich finde, alle Grenzen müssen verschwimmen. Die Annahme, ich müsse mich als Designer innerhalb bestimmter Grenzen bewegen, bringt mich automatisch dazu, mich dagegen aufzulehnen. Ich finde nichts langweiliger, als »normale« Dinge zu erschaffen. Meiner Meinung nach entsteht produktive Kreativität aus dem Chaos.

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Hanna Krüger

Das Designstudio von Krüger (*1979) liegt in Kassel. Sie hat sich mit Objekten aus Glas und Porzellan sowie als Ausstellungsarchitektin einen Namen gemacht.

Das Verwenden einer gendergerechten Sprache scheint sich selbst in Deutschland inzwischen überwiegend durchgesetzt zu haben. Es ist symptomatisch für den Bereich des Produktdesigns, dass ich trotzdem ganz einfach als »Gestalter« gefragt bin. Meiner Ansicht nach bewegen wir uns im Produkt- und im Industriedesign bezogen auf die Gleichberechtigung immer noch in einem Niemandsland. Männliche Popstars im Design gehören zum normalen Bild dieses Berufszweiges – Frauen scheinen sich dafür weniger und seltener zu eignen. In der Designgeschichte – und darauf stoße ich im Besonderen dann, wenn wir wieder mal an einer Ausstellung in diesem Bereich arbeiten – fällt es schwer, eine Ausgewogenheit der Geschlechter herzustellen. Es fehlen die bekannten Beispiele. Inzwischen hat sich strukturell zwar einiges verändert: Schaut man sich die Zahlen der Studierenden an, so überwiegt inzwischen eindeutig der Frauenanteil. Aber sichtbarer werden sie dadurch nicht. Es gibt deutlich mehr Frauen, die diesem Beruf nachgehen und hervorragende Arbeiten machen – sich im freien Markt durchzusetzen gelingt ihnen jedoch selten. Am ehesten noch in der Partnerschaft mit einem Mann, als sogenanntes Design Couple. In der Bildenden Kunst, in der Musik, der Literatur, dem Theater hat sich diese Struktur schon seit Langem verändert – im Produktdesign scheint man den Frauen immer noch herzlich wenig zuzutrauen. Im freien Markt gibt es keine Chance auf strukturell festgelegte Veränderungen und Quoten, er folgt seinen althergebrachten Mustern und Hierarchien. Ist das dann eigentlich nonkonform oder konform? Mit der Vorstellung, dass der Erfolg eines Produktes an Männlichkeit geknüpft sein soll, werde ich mich als Gestalterin jedenfalls nie abfinden.

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Formafantasma

Das italienische Designer-Duo Andrea Trimarchi (*1983) und Simone Farresin (*1980) bildet das in Amsterdam ansässige Studio Formafantasma. Mit ihren experimentellen Entwürfen für Kunden wie Hermès, Fendi oder Lexus zählen sie zu den gefragtesten Gestaltern im Luxussegment.

Wir nehmen nicht an Pitches teil. Außerdem akzeptieren wir keine unbezahlten oder schlecht bezahlten Jobs und keine Gewinnbeteiligungen bei Firmen, die schlecht verkaufen. Design ist kein lustiges Hobby, sondern ein ernstzunehmender Beruf. Wir sind pünktlich und pflegen einen freundlichen Umgangston. Was uns sehr verärgert, sind unprofessionelles Verhalten und Unhöflichkeit. Wir öffnen keine Mails, in deren Betreff DRINGEND in Großbuchstaben steht. Wirklich wütend werden wir, wenn Leute in Mails nicht mit »Lieber« beginnen und »mit freundlichen Grüßen« schließen. Das hört sich sehr althergebracht an, aber wir alle müssen gute Manieren in der immer schneller werdenden Kommunikation wieder neu lernen.

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Scholten & Baijings

Stefan Scholten (*1972) und Carole Baijings (*1973) sind beruflich wie privat ein Paar. Berühmt ist ihr Studio für den kreativen Umgang mit Mustern und Leuchtfarben.

Wir werden kein »Das ist unmöglich« akzeptieren, wenn wir gerade erst begonnen -haben, ein neues Produkt zu entwickeln. Wir arbeiten oft international. So müssen wir neben unterschiedlichen Sprachen auch unterschiedliche kulturelle Codes entschlüsseln. - Unsere Aufgabe ist herauszufinden, was »schwierig« in anderen Kulturen bedeutet. Bedeutet es »unmöglich« oder »zu unbequem«? Die interkulturelle Interaktion, die so entsteht, ist jedes Mal aufs Neue faszinierend und oft mit -Resultaten verbunden, die schöner sind, als wir es uns jemals erträumt hätten.

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Herbert H. Schultes

Herbert H. Schultes (*1938) war Chefdesigner bei Siemens und Hochschullehrer für Industriedesign. Heute arbeitet er in der Nähe von München.

Ich möchte mich in der Gestaltung auf keinen Fall von aktuellen Moden oder Trends verbiegen lassen, besonders hinsichtlich der Funktionalität. Ich lehne vorgetäuschte Funktionalität genau wie vorgetäuschtes Material ab - damit meine ich zum Beispiel Kunststoff, der in Holz-Optik bedruckt ist. Mir gefällt es, wenn der industrielle Prozess sichtbare Spuren hinterlässt.

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NERI & HU

Lyndon Neri (*1965) und Rossana Hu (*1968) führen von Shanghai aus ein internationales, preisgekröntes Architekturbüro.

Wir akzeptieren keine Plagiate, in keiner Form. Weder im kreativen Prozess noch in Texten, Zeichnungen oder Konzepten.

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Stefan Diez

Die Entwürfe von Diez (*1971) wurden mehrfach mit dem German Design Award und dem IF-Award ausgezeichnet. Er zählt zu den erfolgreichsten deutschen Designern der vergangenen Jahre.

Einen Designer zu fragen, womit er sich nicht abfinden will, ist müßig. Schließlich ist er selbst für seine Arbeit verantwortlich. Es macht wenig Sinn, sich über Kunden oder Gegebenheiten zu beschweren, denn man hat sie sich ja ausgesucht. Es wäre so, als würde man sich in der Ehe öffentlich über den eigenen Partner beschweren - einfach nur albern.

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James Dyson

Sir James Dyson (*1947) ist Erfinder, Designer und Selfmademilliardär. Weltberühmt wurde er mit der Entwicklung eines beutellosen Staubsaugers.

Ich werde niemals Produkte akzeptieren, die nicht so funktionieren, wie sie es sollten. Für mich geht es bei Design darum, Probleme zu lösen und Dinge zu verbessern. Ästhetik sollte deshalb nur eine Begleiterscheinung von Design sein, nicht umgekehrt. Bei der Entwicklung von neuen Produkten ist mein Ausgangspunkt immer Frust. Ich war beispielsweise frustriert von meinem immerzu verstopften Staubsauger - also habe ich einen ent-wickelt, der - ohne Beutel funktioniert und nicht an Saugkraft einbüßt. Ich verliere den Enthusiasmus bei der Arbeit nicht, weil ich noch nie Probleme hatte, Dinge zu finden, die mich frustrieren.

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L+R Palomba

Ludovica (*1961) und Roberto Palomba (*1963) leiten ein preisgekröntes Architektur- und Designstudio in Mailand. Sie wurden unter anderem mit dem Red-Dot-Award ausgezeichnet.

Wir glauben, dass sich das Design zu weit von den Menschen entfernt hat. Es ist wichtig, diese Verbindung neu herzustellen. Wir Designer haben die politische Dimension unserer Arbeit ein wenig vergessen. Wir nehmen uns zu sehr als Künstler wahr. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Kunst in all ihren Facetten ein Dienst an der Gesellschaft sein sollte. Wir müssen versuchen, die soziale und politische Dimension unserer Arbeit wiederzuentdecken.

Foto: Gettyimages