SZ-Magazin: Dennis, du bist einer der erfolgreichsten Computerspieler Deutschlands, ein Hobby, das nicht nur positiv gesehen wird. Welchen Vorurteilen begegnest du?
Dennis Schneider: Viele fragen mich, ob ich auch diese Killerspiele spiele. Damit meinen sie: ob ich auch so ein gewalttätiger Irrer bin.
Und?
Ich antworte dann höflich, dass Computerspiele einen nicht automatisch zum Killer machen. Außerdem spiele ich Warcraft III, das ist ein Strategiespiel.
Du bist sogar Deutscher Meister darin. Wie würdest du deiner Oma das Spiel erklären?
Warcraft spielt in einer Fantasywelt; ähnlich wie in den Herr der Ringe-Büchern gibt es Menschen, Orks und andere Völker. Vor dem Start wählen mein Gegner und ich jeweils ein Volk aus, um dann gegeneinander zu kämpfen. Dazu müssen wir erst einmal Truppen aufbauen. Wir schicken Arbeiter in den Wald, um Holz zu schlagen, daraus werden dann Baracken gebaut und so weiter. Es geht darum, sich in Stellung zu bringen und die Aktionen des Gegners zu antizipieren. Ich vergleiche das immer mit Schach.
Was ist wichtig, wenn man gewinnen will?
Eine perfekte Hand-Augen-Kombination, ohne die geht gar nichts. Man steuert seine Arbeiter und Kampftruppen mit Maus und Tastatur. Jeder Klick muss sitzen, jeder Klick muss schnell sein. Ich spiele bis zu 300 Aktionen pro Minute.
Wie wird man so schnell?
Durch Training. In den Wochen vor einem Turnier spiele ich etwa vier Stunden pro Tag. Nach meinem Abitur 2008 habe ich ein Jahr als Pro-Gamer verbracht, da waren es oft auch sechs oder sieben Stunden.
Das heißt, du hast hauptberuflich Computer gespielt?
Ja. Ich bekam von meinem Clan Mousesports, meinem Club, ein dreistelliges Monatsgehalt und natürlich Preisgelder bei den Turnieren. Am Ende waren es mehr als 30 000 Euro. Mousesports ist so etwas wie Bayern München im deutschen E-Sport …
… im elektronischen Sport …
… aber natürlich zählt am Ende nicht nur die Schnelligkeit, sondern auch die Strategie und die mentale Stärke. Beim E-Sport wird vieles im Kopf entschieden. Man darf Respekt vor seinem Gegner haben, aber keine Angst.
Unsere Fußballnationalmannschaft hört Bushido, um sich heiß zu machen. Was hörst du?
Manchmal Heavy Metal, aber eigentlich suche ich vor einem Match eher die Ruhe. Wenn ein Spiegel in der Nähe ist, schaue ich mir selbst in die Augen und rede mir ein, dass ich gewinnen werde.
Triffst du andere besondere Vorbereitungen?
Vor einem wichtigen Turnier esse ich nicht viel, nur ein Wurstbrot am Morgen, dazu ein Glas Milch. Wenn der Magen zu voll ist, leidet die Konzentration. Während des Spiels trinke ich höchstens stilles Wasser. Und natürlich habe ich spezielles Equipment: Meine Maus zum Beispiel hat eine hohe dpi-Zahl eingestellt, damit sie schneller läuft. Jemand, der nicht aus dem E-Sport kommt, trifft mit so einer Maus keinen Ordner mehr auf dem Desktop.
Dein größter Sieg?
Das Halbfinale der letzten ESL-Liga, das ist die Deutsche Meisterschaft, da habe ich das erste Mal seit Jahren gegen meinen Erzfeind gewonnen. Gespielt werden bei Warcraft maximal fünf Runden, eine Runde dauert normalerweise 15 Minuten. Unser Match ging drei zu zwei aus, und manche Runden dauerten eine Stunde. Ich hatte mir vor dem Spiel ein paar Spickzettel geschrieben, welche Strategien er normalerweise spielt und wie ich darauf reagieren kann. Als ich die Zettel in den Pausen rausgeholt habe, hat ihn das, glaube ich, nervös gemacht.
Das sind ja Psychotricks wie bei Jens Lehmann.
Genau.
Leidenschaft und Pragmatismus
Wie jubeln E-Sportler?
Ich schreie und mache die Becker-Faust. Weil ich mich freue, aber auch, um den Gegner zu demoralisieren. Wenn man nach einem Match das Headset abnimmt und plötzlich das Publikum in der Halle jubeln hört, dann ist das schon ein beeindruckendes Gefühl. Manchmal schauen uns 5000 Menschen live beim Spielen zu. Wir sitzen vorn auf einer Bühne, unsere Bildschirme werden auf Leinwände übertragen, ein Sprecher kommentiert das Match.
Wirst du auf der Straße erkannt?
Manchmal, aber die wenigsten sprechen mich an. Außer neulich, da kam ich mit Freunden von einer Party, und auf der Rolltreppe zur U-Bahn ruft plötzlich einer hinter mir her: »Hey, du bist doch HasuObs. Gib mir ein Autogramm.« HasuObs ist mein Warcraft-Name. Meine Freunde spielen selber kaum Computer, daher hat sie das natürlich gewundert, aber auch amüsiert. Seitdem fragen sie mich auch nach Autogrammen.
Warum sind Koreaner eigentlich die mit Abstand besten Computerspieler?
Sie haben eine andere Trainingsmentalität. Wenn du in Europa gegen jemanden trainierst und die ersten vier Spiele gewinnst, dann hat er keine Lust, noch ein fünftes Mal zu verlieren. Asiaten sind da gelassener, auch disziplinierter. Außerdem ist E-Sport in Südkorea ein angesehener Sport. Die Spieler sind berühmt wie Fußballprofis, verdienen sechsstellige Beträge im Jahr, es gibt zwei TV-Sender, die nur E-Sport übertragen.
Bist du ein guter Verlierer?
Nach einer Niederlage bin ich schon sauer, aber mehr auf mich, ich beleidige niemanden. Das passiert im Internet ja sehr häufig, auch unter Pro-Gamern. Ein Spieler aus unserer Liga ist vergangene Saison rausgeflogen, weil er sich über seinen Gegner im Chat lustig gemacht hat: »Kein Wunder, dass du mit dem Gesicht so gut bist.« So etwas liest natürlich das gesamte Publikum mit. Ich mein, das kann man sich denken, aber nicht schreiben.
Was hält dich vom Warcraft-Spielen ab?
Arbeit für die Uni natürlich. In der Freizeit kommt es darauf an: Wenn es ein hoch dotiertes Match ist, ziehe ich das Geldverdienen dem Geldausgeben vor. Ansonsten sage ich aber auch mal ein Training für einen Kinoabend ab.
Das hört sich eher pragmatisch als leidenschaftlich an. Wenn man so viel spielt wie du, muss es doch auch Spaß machen.
Ja, das denkt man. Warcraft III hat mir lange Zeit auch Spaß gemacht, aber irgendwann waren die Strategien festgefahren, man wusste einfach, was im Spiel passiert. Daher muss ich ehrlich sagen: Die letzten zwei Jahre überwogen der Wettbewerbsgedanke und das Geldverdienen. Aber Warcraft III wird in unserer Liga nun von Starcraft II abgelöst, einem ähnlichen Spiel, mit neuen Geschichten und Völkern und Karten. Die letzten drei Tage habe ich fast nur vor dem Rechner gesessen und das gespielt. Ich glaube, meine Motivation ist wieder da. 72 Stunden durchspielen, das geht nur mit Leidenschaft.
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Dennis Schneider
Warcraft-Meister, 22 Jahre. Viele kennen ihn nur unter seinem Spielernamen HasuObs. Hasu ist Koreanisch und heißt »durchschnittlich«. Doch Dennis Schneider aus Rodenkirchen bei Bremen ist der beste deutsche Warcraft-Spieler, das ist ein Computer-Strategiespiel: dreifacher Deutscher Meister, zweimal schaffte er es bei den World Cyber Games unter die besten 16. Nach seinem Abitur spielte er ein Jahr als Profi. Heute studiert er Wirtschaftsinformatik in Köln, sein Studium finanziert er mit dem Computerspielen.
Foto: Anja Frers