»Der Schmerz ist eine Tatsache«

Mit blutigen Aktionen prägte Hermann Nitsch die Nachkriegskunst und das moderne Theater. Jetzt wird er 80. Ein Gespräch über die befreiende Wirkung des Exzesses.

Hermann Nitsch auf Schloss Prinzendorf, Niederösterreich, wo er seit dreißig Jahren lebt.

Hermann Nitsch empfängt in seinem Schloss in Prinzendorf, einem Dorf eine gute Autostunde nördlich von Wien. Im Garten tollen Hunde und Katzen, auf einer Mauer spreizt ein Pfau seine Federn. Nitschs Stimme ist leise, dank des immensen Resonanzkörpers aber sehr gravitätisch, sein berühmter Rauschebart schwebt wie Zuckerwatte über seinem Bauch. Berühmt wurde der Wiener Künstler mit seinen Aktionen und Schauspielen, in denen Darsteller in Tiergedärmen wühlen (oder wie er es nennt, »matschen«) und blutverschmierte Frauen von Kreuzen hängen. Früher rief Nitsch damit immer wieder die Obrigkeit auf den Plan. Inzwischen ergeht es Nitsch wie so vielen, die zunächst als Nestbeschmutzer beschimpft wurden: Man ist in Österreich irgendwann doch sehr stolz auf seine verstoßenen Söhne.