Der Letzte macht das Licht aus

Zeitungskrise in den USA: Der Fotograf Will Steacy hat über mehrere Jahre die dramatischen Veränderungen bei der Tageszeitung »Philadelphia Inquirer« dokumentiert.

Name: Will Steacy
Ausbildung: Tisch School of the Arts, New York University, 2003
Website:http://willsteacy.com/notebook/

SZ-Magazin: Warum haben Sie den Philadelphia Inquirer ausgewählt, um den Niedergang der amerikanischen Zeitungsbranche darzustellen?
Will Steacy: Mein Vater hat 29 Jahre lang für den Philadelphia Inquirer gearbeitet, bis zu seiner Entlassung im Jahr 2011. Ich verbrachte sozusagen meine Kindheit in der Redaktion und war fasziniert von den Papierbergen und den Stapeln von Ordnern, die sich auf den Schreibtischen türmten. Für meinen Bruder und mich war es immer etwas Besonderes, wenn wir unseren Vater überreden konnten, uns mit in den Raum zu nehmen, in dem die Druckerpressen standen - immer mit dem Versprechen, dass wir nichts anfassen und unsere Kleider nicht mit Tinte verschmierten. Als ich mich 2009 dazu entschied die Zeitungsindustrie zu fotografieren, war also gleich klar, wohin ich mich wenden würde.

Ihre Bilder zeigen die Entwicklungen im Newsroom über einen längeren Zeitraum - bis der große Raum schließlich ganz leer ist. Wie lange haben Sie an der Serie gearbeitet?
Fünf Jahre lang. In dieser Zeit ist die Zeitung in die Insolvenz gegangen, hat neue Eigentümer gefunden und mit der Anpassung an die digitale Ära gekämpft. Ich wollte die harte Realität zeigen, mit der sich die Zeitungsindustrie heute konfrontiert sieht – rückläufige Werbe-Einnahmen, rückläufige Abo-Zahlen, der stetige Verlust von Reichweite.

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Bild 14 zeigt ein Gruppenfoto, auf dem die Gesichter einiger Mitarbeiter durchgestrichen sind. Wissen Sie, warum?
Auf dem Bild sind Journalisten zu sehen, die einen Wahlbetrug aufgedeckt hatten. Das war eine große Sache, die Wahl wurde für ungültig erklärt, es kam zu Verurteilungen wegen Wahlbetrugs. Dennoch haben nach und nach immer mehr dieser Journalisten die Zeitung verlassen und ich vermute, dass jemand die ausgeschiedenen Mitarbeiter durchgestrichen hat.

Die Zeitungsbranche in den USA steckt seit Jahren in einer schweren Krise. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Als erstes wird immer der Siegeszug des Internets dafür verantwortlich gemacht sowie die angebliche Unfähigkeit der Journalisten, sich technischen Neuerungen anzupassen. Ich denke aber, dass die wahren Gründe woanders liegen. Früher waren viele Zeitungen im Familienbesitz oder gehörten lokalen Eigentümern. Im letzten Vierteljahrhundert gab es jedoch einen massiven Konzentrationsprozess, so dass die meisten Zeitungen nun großen Medienkonzernen gehören. Mit diesem Wechsel der Eigentumsverhältnisse haben sich die Prioritäten der Verlage verschoben: Guter Journalismus ist nun weniger wichtig als satte Gewinne und die Zufriedenheit der  Aktionäre. Dieser Wandel hat im ganzen Land zu Entlassungen in den Redaktionen geführt. Infolgedessen kämpfen viele Blätter heute damit, das Interesse der Leser zu halten und gleichzeitig eine profitable Plattform für Print- und Onlineberichterstattung zu bieten.  

Das alte Redaktionsgebäude des Philadelphia Inquirer wurde »Tower of Truth« genannt. Was wurde daraus, nachdem die Zeitung ausgezogen war?
Im Zuge des letzten Besitzerwechsels des Inquirer im vergangenen Jahr wurde das Gebäude an den Immobilien-Investor Bart Blatstein verkauft. Momentan steht es leer, der neue Eigentümer plant, es in ein Luxushotel mit Casino umzubauen und eine Armee schlechtbezahlter Servicearbeiter zu beschäftigen - in einer Stadt, die von Arbeitslosigkeit und einer schmerzhaft hohen Armutsrate geplagt wird.

Fotos: Will Steacy