Erstens: das Abkatern. Diese Entdeckung verdanke ich Leser G. aus Espelkamp, der in seiner Heimatzeitung regelmäßig Begriffe entdeckt wie den Wehmutstropfen, das Sahnehäuptchen, den Hinterweltler sowie auch das abgekaterte Spiel – eine rätselhafte Wendung, die mit dem Verbum »abkatern« zu tun haben muss, das mir unbekannt war. Es hat aber längst Eingang in die Umgangssprache gefunden. Im Internet kann man lesen, wie Menschen nach Partys berichten, sie müssten »abkatern«, also ihren Kater bekämpfen. Könnte man seinen Kater auch bei Sport und Spiel verarbeiten? Ja. Wäre das ein »abgekatertes Spiel«? Nein, nur ein Spiel zum Abkatern. Natürlich könnte G.s Zeitung ein »abgekartetes Spiel« gemeint haben, aber das glaube ich nicht, dazu ist das Wort »abkatern« zu schön.
Zweitens: die Kerner-Arbeit. Den Begriff fand ich beim Herumlesen in einem alten Manager-Magazin, in dem es über den Unternehmer August von Finck hieß, er habe »die mühevolle Kerner-arbeit des Tagesgeschäfts« in seinem Bankhaus immer öfter gescheut. War am Ende die »Kärrner-Arbeit« gemeint? Bah, erstens weiß seit dem Tod Herbert Wehners niemand mehr, was ein Kärrner ist. Und zweitens wäre ein solcher Einwand, wie soll ich sagen?, beckmännerisch. Drittens: das Schlafanfallbüro. Ein solcher Ort befindet sich in Chemnitz, wie ich dem Klinoskop entnehme, der Zeitschrift des dortigen Klinikums, die mir Frau Z. aus Leipzig zuschickte. Darin befindet sich ein Artikel über die Behandlung von Schlaganfällen, unter dem aber die Telefonnummer der Leiterin des Schlafanfallbüros verzeichnet ist. Wobei es sich um einen Druckfehler, aber auch um eine Wortschöpfung handelt, die wir dringend benötigten, denn es gibt viele Büros im Land, besetzt von Schlafanfälligen. Nur hatten wir bisher kein Wort dafür.
Viertens: Was aber ist ein Schlaffzimmer? Ein Rückzugsraum bei akutem Schlaffanfall? Frau R. aus Gräfelfing schreibt, sie habe anlässlich eines Umzugs von der Spedition gebrauchte Kartons bekommen, von denen einer mit dem Wort »Schlaffzimmer« beschriftet gewesen sei. R. dazu: »Ob sich die (der Handschrift nach offensichtlich weibliche) Schreiberin auf diese Weise endlich einmal artikulieren wollte…?«
Fünftens: das Nichtleben. Leser S. aus Bonn hat in der SZ vom 2./3. August ein Stelleninserat der Münchener Rück entdeckt, die einen »Mathematiker/Aktuar Nichtleben (m/w)« suchte, zu dessen Aufgabengebiet so spannende Arbeiten wie die »Risk-Trading-Unit-Modellierung im Bereich Insurance Linked Securities« gehörten. Da mein Aufgabengebiet die Entdeckung schöner Wörter umfasst: Was, Münchener Rück!, ist »Nichtleben«? Was wird uns verschwiegen? Gibt es eine Alternative zum Tod? Etwas Besseres? Oder ist »Nichtleben« ein anderes Wort für »bei der Münchener Rück arbeiten«?
Sechstens: die Niedere Himalaya-Schleimbeere. Frau W. aus Berlin ging in einem Arboretum spazieren, das ist: eine Sammlung von Gehölzen, eine Art Botanischer Garten. Was sie faszinierte, waren nicht die Pflanzen, sondern deren Namen. Runzelblättriger Schneeball. Korkleisten-Spindelbaum. Steifborstige Stechwinde. Glänzende Skabiose – klang das nicht wie eine fürchterliche Hautkrankheit? Man könne sich, schreibt W., von den Wörtern nicht lösen! Sie habe ein reiches Reservoir an Schimpfnamen gefunden: »Du Niedere Himalaya-Schleimbeere«! »Du Erlenblättrige Scheineller«! »Du Gewöhnliche Pimpernuss (Staphylea pinnata)«!
Siebtens schickte mir Herr K. aus Brühl die Einladung zu einer Veranstaltung: »Deutschsprachige Schweigeexerzitien mit Pater Dr. Smiljan Konzul OFM« in Köln.
Illustration: Dirk Schmidt