In der FAZ las ich unter der Überschrift »Aki Kaurismäki mag uns alle nicht«, der finnische Regisseur habe im Zeit-Magazin gesagt: »Manchmal denke ich, das Einzige, was den Planeten retten könnte, wäre, wenn die Menschheit verschwindet.« Die Zeitung kommentierte das mit den Worten: »Vielleicht könnte er selbst schon mal den Anfang machen? Wir kommen beizeiten nach. Versprochen!«
Das fand ich seltsam: dass einer in der Zeitung so rüde quasi zur Selbstentleibung aufgefordert wird … Ich las das Zeit-Magazin und stellte fest, dass Kaurismäki nicht nur diesen Satz gesagt hatte, sondern fortgefahren war: »Ein Gedanke, der den Menschen natürlich nicht gefällt. Mir eigentlich auch nicht. Wem könnte ich dann meine Geschichten erzählen? Die Wale interessieren sich nicht dafür. Ich mag die Menschen, aus verschiedenen Gründen. Aber ich mag nicht, wie wir handeln, ohne Vernunft. «Klingt anders, oder? Lässt sich nicht so pointiert kommentieren.
Was aber wirklich in absehbarer Zeit vom Planeten verschwinden wird: der spanische Kampfstier. Hier haben wir es mit dem merkwürdigen Fall zu tun, dass als Folge der Arbeit von Tierschützern eine Rinderrasse ausstirbt, eben das Spanische Kampfrind, das, wenn es keinen Stierkampf mehr gibt, von niemandem mehr gezüchtet und gehalten werden wird – warum denn? Und dass es irgendwann keinen Stierkampf mehr geben wird, ist so gut wie sicher. In Barcelona hat kürzlich der letzte für immer stattgefunden, und wann er in ganz Spanien verboten werden wird – das ist nur eine Frage der Zeit. Die Leute dort interessieren sich ohnehin immer weniger dafür.
Wie immer man zum Stierkampf stehen mag, ob man ihn als blutrünstiges Gemetzel verabscheut oder ihn bewundert als »amourösen, empfindsamen Kult, der den Stier zum König erhebt« (wie Mario Vargas Llosa geschrieben hat), wie immer man das sieht: Ist es nicht traurig, dass jenes herrlich freie Leben kraftvoller Kampfstiere auf der spanischen Hochebene für immer zu Ende sein wird? Dass hingegen die Ostafrikanische Riesenschnecke Achatina fulica eine gleißend-großartige Zukunft hat?
Diese Schnecken gehören zu den größten der Welt, sie werden 30 Zentimeter lang, und derzeit sind sie in den Südwesten Miamis vorgedrungen, eine Gegend, die definitiv verbotenes Land für Achatina fulica ist, sie hat eine Einreisesperre für die gesamten USA, weil sie erstens den scheußlichen, hirnhautentzündenden Parasiten »Rattenlungenwurm« beherbergt und weil sie zweitens der Landwirtschaft schwere Schäden zuzufügen in der Lage ist. Drittens frisst sie Beton.
Wie kamen die Schnecken nach Miami, wo sie Putz von den Häusern raspeln, um den Kalk für ihre riesigen Gehäuse zu verwenden? Antwort: Mitglieder einer kleinen religiösen Sekte glauben, im Schneckenschleim seien Heilkräfte enthalten; sie brachten die Tiere aus Afrika mit, die nun die Bewohner des südwestlichen Miamis das Gruseln lehren. Denn es ist ein Gruseln.
Sind uns nicht schon die gartenvernichtenden Wegschnecken ein Grauen? Man stelle sich das mit Tieren von der Länge eines kleinen Hundes vor, Hitchcock hätte einen Schocker daraus gemacht – nur müsste man den Film schneller laufen lassen, man hat nicht tagelang Zeit. Oder stellen wir uns einen Kaurismäki-Film vor, Schnecken der Vorstadt oder I Hired A Contract Snail oder Schnyykkyyäää yn Myäämyyy.
Wäre es eine Möglichkeit, Stierkampf durch Schneckenkampf zu ersetzen? Ein Mann kämpft in einer Arena gegen eine Riesenschnecke, ein amouröser, empfindsamer Kult, der sich über Jahre erstreckt, eine Feier der planetenrettenden Entschleunigung, Matador gegen Molluske.
Und, was planst du so nächstes Jahr?
Ich gehe ins Stadion.
Gut, ich komme im Juli nach. Versprochen.
An den Imbissbuden: Slow Food.
Illustration: Dirk Schmidt