SZ-Magazin: Frau Rheims, Herr Bramly, Rose, c’est Paris ist Ihr gemeinsames Projekt. Die Fotografin und der Schriftsteller – wirkt es deshalb wie eine skurrile Agenten-Reise durch Paris?
Bettina Rheims: Ja, das passt. Für uns ist es auch eine Heimreise, eine Begründung, warum wir beschlossen haben, in Paris, dieser geheimnisvollen Stadt, zu leben. Sie erzählen die Geschichte von Rose, die ihre verschwundene Zwillingsschwester sucht und dabei skurrile Dinge erlebt.
Wie entwickelt man so eine Idee?
Serge Bramly: Wir eröffnen eine Art Wortspielplatz, machen eine Liste, und daraus entsteht die Geschichte. Paris birgt viele Geheimnisse, wir wollten noch welche hinzuzufügen.
Rheims: Serge und ich beginnen unsere Arbeit immer mit Wörtern. Wir werfen sie uns zu wie Pingpong-Bälle. Ein Beispiel: Serge verehrt den Künstler Marcel Duchamp; der hatte ein Alter Ego, das er Rose Sélavy (c’est la vie) nannte. Wir machten daraus »Rose, c’est Paris«. »C’est Paris« klingt wie »séparé«, also »getrennt«. Was trennt man? Zwillingsschwestern, voilà. Das ganze Projekt ist eine Fantasie, die surrealistische Reise von Rose. Klingt wie Alice im Wunderland.
Rheims: Das ist es auch. Wir zeigen seltsame Orte, die niemand kennt. Manchmal auch bekannte Monumente aus einem anderen Blickwinkel. Wir haben für die Rolle der Rose wirklich eine Alice gesucht und sie in Inge gefunden. Sie betritt die verschiedensten Welten, trifft seltsame Menschen.
Schwarz-Weiß-Fotografien, Surrealismus, Zwanzigerjahre. Was fasziniert Sie an dieser Zeit?
Bramly: Die Zwanzigerjahre, das war Paris von seiner besten Seite. Jeder wollte damals dort sein: Musik, Kunst, Film – alles passierte, pulsierte in dieser Stadt.
Früher war alles besser?
Rheims: Manches schon: Künstler in Paris zu sein bedeutete damals eine unglaubliche Freiheit. Es ging nicht um Marketing und Marktwert. Man war einfach kreativ. Der erste Weltkrieg war überstanden, vom Zweiten wusste man noch nichts. Die Leute waren glücklich. Und zum ersten Mal in der Geschichte war es großartig, eine Frau zu sein. Sie emanzipierten sich, gehörten dazu, durften sich vergnügen.
Frauen – Ihr Thema, seit Sie angefangen haben zu fotografieren. Können Sie erklären, warum?
Rheims: Ich brauchte ein Thema als Fotografin. Warum ich dann als Erstes halbnackte Stripperinnen fotografiert habe – keine Ahnung. Man muss auch Geheimnisse vor sich selbst haben.
Wer hat Ihre Arbeit beeinflusst?
Rheims: Zur Fotografin gemacht hat mich Serge vor fast 30 Jahren.
Bramly: Ich war damals Fotograf, ein schlechter allerdings.
Rheims: Und ich eine schlechte Journalistin, die über Sport schrieb. Serge brachte mich auf die Fotografie, und in dem Moment, als ich durch die Kamera sah, wusste ich: Das ist es. Natürlich war es für mich auch wichtig, Helmut Newton zu treffen. Nicht so, wie die Journalisten gern schreiben, ich bin nicht der weibliche Helmut Newton; aber er hat sich meine Fotos angesehen und ich habe ihn und seine Arbeit immer sehr geschätzt.
Auch Newton war berühmt für seine Bilder nackter Frauen. Eine Frau, die erotische Fotos von anderen Frauen macht, ist dagegen für viele immer noch befremdlich.
Rheims: Erotik ist ein heuchlerisches Wort. Ich mache sexuelle Fotos, sie gehen tiefer. Ich glaube, nur eine Frau kann solche Bilder machen, weil die Frauen bei mir nie Objekte sind. Es gibt diese Komplizenschaft zwischen uns. Sie mögen es, dass ich sie schön und stark aussehen lasse.
Frauenrechtlerinnen haben Sie trotzdem oft hart angegriffen.
Rheims: Die deutschen Feministinnen waren besonders wütend. Ich habe sie getroffen, um das zu verstehen; Mapplethorpes große Penisse haben sie ja auch nie gestört – mit ihm zusammen habe ich oft Austellungen gemacht.
Und, haben Sie sie verstanden?
Rheims: Nein. Ich verstehe aber auch nicht, warum Frauen unrasierte Beine haben sollen, nur weil sie Feministinnen sind.
Wo ist die Grenze zwischen sexy und pornografisch?
Rheims: Es ist ein schmaler Grat. Aber bei mir werden die Frauen nie erniedrigt. Sie fühlen sich gut.
Bramly: Ich habe das oft beobachtet: Bettina gibt den Frauen Selbstvertrauen, sie fühlen sich bei ihr wie Prinzessinnen.
Sie beide haben einen gemeinsamen Sohn, waren mal verheiratet. Und immer wieder arbeiten Sie erfolgreich zusammen. Wie funktioniert das?
Rheims: Es ist wunderbar. Wir sind wie Zwillinge: Unser Geist, unsere Gedanken funktionieren gleich. Wir sind füreinander wie ein Zuhause.
Bramly: Ich genieße es auch, mal rauszukommen. Als Schriftsteller arbeite ich viel allein – manchmal ein erbärmliches Leben.
Rheims: Und dann darf er raus und mit mir und all den schönen Mädchen arbeiten.
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Unsere Mitarbeiterin Christine Zerwes traf Bettina Rheims und den Schriftsteller Serge Bramly in Paris, wo das neue Werk der beiden Rose, c’est Paris ab 6. April in der Bibliothèque Nationale gezeigt wird. Zur Ausstellung erscheint im Taschen-Verlag der Fotoband mit Beiheft und DVD und kostet 750 Euro. Die Auflage ist limitiert auf 1500 Exemplare, die von den Künstlern signiert worden sind.
Fotos: Bettina Rheims