Das Geisterhaus

Vor ein paar Jahren kaufte Gaddafis Sohn eine Villa in München, er ließ sie grotesk umgestalten, zog aber nie ein. Jetzt ist er tot.

Außen legte Saif al-Arab al-Gaddafi nicht Hand an, aber im Inneren der Villa hat er einiges verändert. So ließ er zum Beispiel helle Eichendielen schwarz lackieren.

Die zwei Ordner über den Verkauf der Bogenhausener Villa sind so dick wie eine Tresortür. Und Detlev Freiherr von Wangenheim, Chef der Immobilienfirma Duken & v. Wangenheim AG, ist bemüht, sie unter Verschluss zu halten. Schließlich handelt es sich um Informationen über ein Anwesen, das in den vergangenen Monaten immer wieder zu Spekulationen anregte und so zum Klatschthema der gehobenen Münchner Gesellschaft wurde. Manch einer in der noblen Nachbarschaft hegt sogar die Vermutung, ein Fluch laste auf der Villa. »Das ist sicher übertrieben«, sagt Wangenheim, aber fest steht auch: Glück hat das luxuriöse Anwesen bisher keinem seiner Besitzer gebracht.

Kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise wird die Villa schlüsselfertig an ihren Besitzer übergeben. Der heißt damals Georg Funke, ist Chef der Hypo Real Estate und geht wenige Wochen später als »Gier-Bankster« in die Geschichte ein. Um sich dem Medienrummel zu entziehen, bietet Funke den edlen Neubau sofort zum Verkauf an, Duken & v. Wangenheim erhalten den Auftrag Ende 2008.

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In Wangenheims Konferenzraum steht Michael Graeters Buch Wer ist was in München in Wort und Bild im Regal, daneben sieht man Wangenheim auf Fotos mit Roman Polanski oder John McCain. Duken & v. Wangenheim haben in den vergangenen 15 Monaten nach eigenen Angaben 150 Millionen Euro mit Immobiliengeschäften in Bogenhausen, im Herzogpark oder in Nymphenburg umgesetzt. Im Herbst 2008 rufen Berater des Diktatorensohns Saif al-Arab al-Gaddafi das erste Mal bei Wangenheim an. Saif al-Arab wohnt in dieser Zeit noch in Waldperlach, er sucht eine »repräsentativere Behausung«. Eine glückliche Fügung, denkt Wangenheim.

In der Opitzstraße besichtigt er mit Saif al-Arab eine Villa, der Libyer ist angetan. Im Gespräch erwähnt der Immobilienmakler, dass der amerikanische Generalkonsul nebenan wohnt. Gaddafis Interesse verfliegt in Millisekunden. Sehr viel unkomplizierter läuft es ein paar Tage später bei der Funke-Villa: Nach der Besichtigung werden Ingenieure bestellt, die den Zustand des Hauses prüfen sollen. Das Interieur: weiße Wände, helle Eichendielenböden, sehr reduziert, ein bisschen Bauhaus-Stil, zwei große Küchen, eine Terrasse, ein Schwimmbad – ein Traum. Der libysche Botschafter Jamal Ali Omar El-Baraq fliegt aus Berlin ein. Er unterzeichnet den Kaufvertrag am 18. März 2009. Käufer ist die Libysch-Arabische Dschamahirija, die Volksrepublik Libyen. Offiziell wird das Haus als »libysches Gästehaus« geführt, »intern war für mich klar, dass Saif dort einzieht«, erklärt Wangenheim. Kaufpreis: etwa 7,7 Millionen Euro.

Ein gutes Geschäft. Für Funke. Für Wangenheim. Die Provision für Duken & v. Wangenheim beträgt um die 250 000 Euro. »Saif war ein angenehmer junger Mann. Er hatte in Waldperlach immer wieder Ärger mit den Nachbarn wegen seiner lauten Autos. Es ging bei ihm ständig um Autos. Am liebsten hätte er ein Haus mit einer großen Tiefgarage für seine sechs, sieben Autos gehabt«, sagt Wangenheim.
Der Bau einer Tiefgarage bleibt aus. Aber ein paar Monate später erhält Wangenheim überraschend einen Anruf aus Berlin. Er solle das Haus wieder veräußern. Außerdem teilt man ihm mit, dass Libyen inzwischen sehr viel Geld in einen Umbau investiert habe, und man bittet ihn um eine erneute Einschätzung. Wangenheim besichtigt das Haus und ruft anschließend die Botschaft in Berlin an. Er spricht mit einer Botschaftsmitarbeiterin.

»Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«, fragt Wangenheim, »Bei Saifs Umbauten am Haus handelt es sich nicht um Wert erhöhende, sondern um Wert mindernde Maßnahmen.« Saif hatte die Eichendielen schwarz lackieren lassen, die Wände goldfarben angestrichen, goldfarbene Teppiche im Schlafzimmer ausgelegt, rotgelben libyschen Marmor in den Bädern verbaut, Wasserhähne und Klinken aus Edelstahl gegen goldglänzendes Messing ausgetauscht. »Ohne die Umbauarbeiten wäre das Haus heute um die acht Millionen Euro wert«, sagt Wangenheim. Ein anderer Immobilienmakler wird konkreter: »Trotz Bestlage schätze ich den aktuellen Wert auf höchstens sechs Millionen. Mehr nicht.« Hat der libysche Staat einen überteuerten Preis für das Haus bezahlt? Wangenheim verneint: »Wenn es einen Käufer gibt, der diese Summe bezahlt, dann ist das Haus das auch wert.« Sein Kollege, der unbekannt bleiben will, drückt es so aus: »Besonders großes Verhandlungsgeschick haben Saif al-Arab und der libysche Botschafter wohl eher nicht gezeigt.«

Seit dem Anruf im Frühjahr 2010 herrscht zwischen Wangenheim und der libyschen Botschaft Funkstille. Zwischendurch wird auch Konkurrent Engel & Völkers mit dem Verkauf beauftragt. Aber Geschäftsführer Konstantin Wettig will sich zur Funke-Gaddafi-Villa nicht äußern. Wangenheim sagt: »Wir haben mehrfach versucht, mit libyschen Botschaftsangestellten in Kontakt zu treten, waren jedoch erfolglos. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs haben die verständlicherweise andere Probleme. Unser Ansprechpartner Botschafter El-Baraq ist nicht erreichbar.«

Am 30. April 2011 wurde Saif al-Arab al-Gaddafi laut Angaben der libyschen Regierung von einer NATO-Bombe getötet, seine Beerdigung fand Anfang Mai statt. Das Haus steht seitdem leer.

Foto: Bernd Auers