SZ-Magazin: Herr Schulte-Markwort, Sie beschreiben in Ihrem Buch Mutlose Mädchen jugendliche Patientinnen, die extrem antriebs- und ziellos sind. Wie genau äußert sich das?
Michael Schulte-Markwort: In meiner Beratungspraxis habe ich seit etwa fünf Jahren zunehmend mit jungen Frauen und Mädchen zu tun, die quasi stecken bleiben in ihrer Entwicklung. Sie ziehen sich zurück, fühlen sich kraftlos, gehen plötzlich nicht mehr zur Schule, treffen keine Freunde. Sie sagen: »Es gibt nichts, was mich raus in die Welt lockt.« Selbst die Sorge für sich selbst funktioniert oft nicht, sie verwahrlosen äußerlich. Dabei ist es nicht so, dass sie nicht wollen oder dass sie tatsächlich an etwas scheitern. Manchen machen allerdings die Welt, die Schule oder bestimmte Aspekte davon Angst. Sie sind also nicht grundsätzlich ängstlich, unwillig oder frustriert, aber teilweise verunsichert. Das Entscheidende ist aber, dass diese Mädchen selbst im therapeutischen Gegenüber wie mir eine unglaubliche Ratlosigkeit auslösen, weil jeder Vorschlag verpufft. Die Mädchen gucken einen hilflos an und können nichts davon aufgreifen.
»Die Töchter wollen nicht so ein Leben wie ihre erschöpften Mütter«
Der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort beobachtet in seiner Praxis immer mehr Mädchen, die Angst vor dem Leben haben. Was das mit zementierten Rollenbildern zu tun hat und wie Eltern ihren Kindern wieder Mut machen können, erzählt er im Interview.